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Nebulöse Schwärmerei für Heidegger

 ■ V O R L A U F

(West 3, heute, 22.45 Uhr) Der Zauberer von Meßkirch Martin Heidegger. - Wer sich etwas fragt sucht nach einer Antwort. Oder er fragt nur, weil er die Antworten schon parat hat und nun eine passende Frage konstruiert, um seine festgelegte Anschauung als Suchen nach Antworten zu tarnen. So steht am Anfang des Films von Rüdiger Safranski und Ulrich Boehm über Martin Heidegger eine rhetorische Frage, stellvertretend für die Filmautoren von dem Philsophen Hans -Georg Gadamer gestellt. Hat die Philosophie Heideggers uns noch etwas zu sagen, darf sie uns noch etwas sagen?

Der Film, der nun vorgibt, nach Lösungen zu suchen, Standpunkte in der Heidegger-Debatte gegeneinander zu stellen, trägt die Antwort im Titel: Der Zauberer von Meßkirch. Wer so festgelegt ist, kann nur ein kreuzbraver Gratulant zum 100.Geburstag sein - Verbeugungen voller ehrerbietender Gesten: Heideggers „Schlüsselrolle“, wie er im Alter von sechs Jahren als Sohn des Meßners den Kirchenschlüssel halten durfte, der älteste Meßkirchner, der noch den „Lausbuam“ gekannt hat, und der Bruder, der Martin riet, in einem Satz nicht gleich mehrere Wahrheiten einzubetten, schließlich Heideggers täglicher Spaziergang vom Schloß über das Feld zu einer Bank.

Der Film betreibt die „Kunst der Platitüde“, wie Peter Sloterdijk einmal Heideggers Versuch, „mystisch einfaches Wissen vom einfachen Leben, 'wie es ist‘, in die fortgeschrittenste europäische Denktradition zu übersetzen“, bezeichnet hat.

Auch für den zweiten Teil von Gadamers Frage, ob Heidegger uns nach seiner Adoration für den Nationalsozialismus noch etwas sagen darf, haben Safranski und Boehm eine vorgefertigte Antwort, ein striktes Ja, das sich hinter einer verräterischen Ausgewogenheit verbirgt. Gegen eine Apologetik, die Heideggers 'privaten Nationalsozialismus‘ in einen Akt des verdeckten Widerstandes umzudeuten versucht und immer wieder hervorhebt, daß Heidegger die Nazis 1943 als brutalsten Ausdruck des „Willens zur Macht“ beschrieb, darf Victor Farias als Alibi-Kritiker zu Wort kommen - in einigen harmlosen Sätzen über Heideggers demonstratives Tragen des Parteiabzeichens.

So rückt der Film über Heideggers Person und seine Philosphie in die Nähe einer nebulösen Schwärmerei für den „Zauberer von Meßkirch“, porträtiert von zwei Filmautoren, die es wichtiger finden, über einen Heidegger-Marsch zu berichten, als über die wesentlichen Gesichtspunkte in der Debatte. Der Film ist dann auch so einfach wie der Marsch, den die Blaskapelle von Meßkirch zum 80.Geburtstag Heideggers komponiert hat. Ein Philosoph in Noten gesetzt: h -e-i-d-e-g-g-e-r. Eine Etüde in höherer Banalität.

Christof Boy

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