: Gorbatschow beharrt auf KP-Monopol
■ Einparteiensystem als „historische“ Errungenschaft bezeichnet / Sowjetbürger wegen ausbleibender Reformresultate zur Geduld aufgerufen / Sacharow Kandidat für Kongreß-Wahlen
Moskau (afp) - Der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow hat sich kategorisch gegen ein Mehrparteiensystem in seinem Lande ausgesprochen und betont, daß die Kommunisten ihr Machtmonopol nicht aufgeben werden. In einer vom Fernsehen ausgestrahlten Rede wenige Wochen vor den Wahlen zum Kongreß der Volksdeputierten erklärte Gorbatschow, das Einparteiensystem sei eine „historische“ Errungenschaft. Er wandte sich gegen den Standpunkt, nur ein Mehrparteiensystem ermögliche eine dynamische Entwicklung der Gesellschaft. Die kommunistische Partei, die eine „enorme Integrationskraft“ habe, müsse ihre Rolle als „Vorhut“ der sowjetischen Gesellschaft behalten.
Gorbatschow appellierte auch an die Sowjetbürger, wegen der zögerlichen Ergebnisse, die seine nunmehr knapp vierjährigen Reformbemühungen bislang zeigen, nicht ungeduldig zu werden. Die Probleme der UdSSR ließen sich „nicht auf einen Schlag lösen“. Er sprach sich mit Nachdruck dafür aus, die Abhängigkeit der Sowjetunion von Importen zu reduzieren. Es sei „keine Lösung, jährlich Milliarden von Dollar“ harter Devisen für ausländische Produkte auszugeben.
Gorbatschows Rede erfolgte am gleichen Tag wie die Veröffentlichung der Wirtschaftsergebnisse für 1988. Die Zahlen belegen nach Angaben der 'Prawda‘, daß die finanzielle Situation der UdSSR „weiterhin schwierig“ sei. Die Statistik weist vor allem im Agrarbereich rückläufige Resultate auf: Die Getreideernte betrug 1988 195 Mio. Tonnen, während im Plan 235 Mio. Tonnen vorgesehen waren. Erste Pluralismusdiskussion
Budapest (ap) - Erstmals haben am Freitag Vertreter der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei und der im September letzten Jahres gegründeten unabhängigen Gruppe Demokratisches Forum über eine mögliche Zusammenarbeit diskutiert. Die amtliche Budapester Nachrichtenagentur MTI meldete, die Debatte habe sich auf die Möglichkeit einer Koalition, der Schaffung eines Systems politischer Institutionen und der Rolle der kommunistischen Partei in einem pluralistischen System konzentriert.
Redner des Forums hätten gefordert, das Parlament von einer „Abstimmungsmaschine“ in eine Institution zu verändern, die ihre in der Verfassungsrechte und -pflichten wahrnimmt. Die Parteivertreter hätten versichert, daß die Mehrheit der 800.000 Mitglieder für demokratische Reformen seien. Sie seien bereit, daß „gewaltsam erlangte Machtmonopol“ aufzugeben.
Die Sozialdemokratische Partei Ungarns hat am Donnerstag erstmals seit über 40 Jahren eine öffentliche Veranstaltung abgehalten, verlautete aus Teilnehmerkreisen in Budapest.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen