Kippt BND-Chef über Libyen-Affäre?

■ Bundesregierung angeblich über deutschen Geheimdienst verärgert / Keine „gerichtsverwertbaren“ Beweise geliefert / BBC: Umgerüstete libysche Flugzeuge einsatzfähig

Frankfurt (ap/dpa) - Die Affäre um den Export von chemiewaffenfähigem Material nach Libyen scheint mit dem Chef des Bundesnachrichtendiensts, Hans Georg Wieck, ein erstes prominentes Opfer zu finden. Regierungssprecher Ost nannte am Wochenende Berichte über eine bevorstehende Ablösung des BND-Chefs „Spekulation“, ein ausdrückliches Dementi aus Bonn gab es jedoch nicht.

Übereinstimmend berichteten die 'Westfälischen Rundschau‘ und die 'Bild am Sonntag‘, der 60jährige Wieck müsse sein Amt vorzeitig räumen, weil die Bundesregierung verärgert über sein Verhalten im Fall der Beteiligung deutscher Firmen am Bau einer Chemiefabrik in Libyen sei. Das Blatt zitierte einen namentlich nicht genannten hohen Bonner Regierungsbeamten mit den Worten: „Das Maß ist voll.“ Bundeskanzler Kohl, Außenminister Genscher und der für die Geheimdienste zuständige Staatssekretär im Kanzleramt, Schreckenberger, seien verbittert über wiederholte Pannen und Falschinformationen des für die Auslandsaufklärung zuständigen Geheimdienstes.

„Das Faß zum Überlaufen aber brachte Herr Wieck, als er versuchte, durch gezielte Presseinformationen den BND vom Vorwurf reinzuwaschen, in der Libyen-Affäre nichts gewußt zu haben“, habe ein Bonner Staatssekretär erklärt. So habe Wieck durchsickern lassen, er habe die Bundesregierung schon im Sommer 1988 informiert. Sorgfältige Prüfungen von Regierungsseite hätten aber ergeben, daß der BND keine gerichtsverwertbaren Beweise geliefert, sondern „nicht beweisbare Hinweise“ der CIA weitergegeben habe.

Barbouti beschuldigt

die Libyer

Der als Generalunternehmer für die Chemiefabrik in Libyen beschuldigte Exil-Iraker Ihsan Barbouti hat bestritten, daß es sich um eine Chemiewaffenanlage handelt. Nach seiner Kenntnis werde dort eine Medikamentenfabrik errichtet, sagte er in einem ZDF-Interview aus London. Seine Firma habe nur Baumaterialien geliefert. Barbouti bestätigte Kontakte mit dem Chef der Imhausen-Chemie, Jürgen Hippenstiehl-Imhausen. Nach Angaben Barboutis ist Imhausen nicht der Hauptunternehmer für die Chemieanlage. „Das waren die Libyer selbst.“

Siemens bestätigte am Sonntag, daß das Unternehmen Elektrogeräte an die Imhausen-Tochter „Gesellschaft für Automation“ (GfA) in Bochum geliefert habe.

Den Vorwurf, daß bundesdeutsche Techniker der libyschen Luftwaffe helfen, die Reichweite ihrer Flugzeuge auch bis nach Israel auszudehnen, bekräftigte der 'Spiegel‘ in seiner neuen Ausgabe. Das Magazin zeigt Fotos von einem Versuch, zwei Kampfflugzeuge in der Luft von einer Transportmaschine aufzutanken. Daraus gehe hervor, daß Libyen die nötige Ausrüstung bereits besitze. Der britische Sender BBC meldete am Sonntag, die umgerüsteten Flugzeuge seien einsatzfähig.

Eine Überprüfung der Firma Intec in Bayern hat nach amtlichen Angaben ergeben, daß das Unternehmen zwischen 1986 und 1988 zwar Anlagenteile nach Libyen geliefert habe. Diese seien allerdings nur für Betankungssysteme am Boden geeignet. Dem Magazin liegen Arbeitsverträge der Techniker mit der Intec-Schwesterfirma CTTL in Liechtenstein vor.