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„Die Vorbedingung ist erfüllt“

■ Professorin Gesine Schwan zu den Beschlüssen des Kuratoriums der Freien Universität

taz: Das Kuratorium der FU hat am Freitag die „Strukturreform“ teilweise zurückgenommen bzw. ausgesetzt. Diese Beschlüsse waren ein Auslöser des Streiks. Ist das jetzt die Beruhigungspille?

Schwan: Die Revision beruht auf dem Vorschlag, den wir, eine Gruppe von linken und rechten Dozenten, unterbreitet haben. Wir waren der Meinung, daß diese Beschlüsse nicht in einem wirklichen Konsens gründen. Natürlich ist es schwerer, diese Einsicht von jenen zu verlangen, die diese Beschlüsse Ende November zustande gebracht haben. Da hat sicherlich die politische Situation nachgeholfen.

Sie waren maßgeblich daran beteiligt, daß das Kuratorium am Freitag so entschieden hat. Warum haben Sie sich eigentlich nicht dafür eingesetzt, daß die Strukturreform in den vier strittigen Punkten - ohne Wenn und Aber zurückgenommen wird?

Von den vier Konfliktfällen ist dem Inhalt nach praktisch alles rückgängig gemacht worden. Auch für die Philosophie ist de facto alles zurückgenommen: Die Entscheidung ist zwar um ein Jahr verschoben, aber mit der Maßgabe, in einer Kommission einen neuen Konsens zu finden. Inhaltlich ist also alles vom Tisch.

Die StudentInnen wollten, daß das Kuratorium nichts aufschiebt, wie das jetzt bei der Philosophie passiert ist, sondern ganz zurücknimmt. Das war ihre Vorbedingung für Verhandlungen. Wie soll nun ein Dialog zustandekommen?

Ich meine, die Vorbedingung ist erfüllt. Sie ist erfüllt in Bezug auf das Lateinamerika-Institut, auf die Slawistik, und auf die Psychologie. Die Philosophie bleibt im kommenden Jahr mit der Soziologie zusammen. Das war die Forderung der Studenten. Und ich glaube, daß im Verlaufe des nächsten Jahres für die Philosophie eine einvernehmliche Lösung gefunden werden kann.

Nun kann sich dahinter ja auch eine geschickte Taktik verbergen: In einem Jahr ist der Streik tot, und dann werden die StudentInnen wieder mit dem alten Beschluß konfrontiert.

Die Befürchtung verstehe ich. Die Grundlage des gesamten Streiks ist ja, daß man der politischen Gegenseite im Kuratorium mißtraut. Die Krise der Univeristät ist eine Vertrauenskrise. Natürlich tun die Studenten Recht daran, wenn sie sehr mißtrauisch beäugen, was jetzt daraus wird.

Wie stellen Sie sich den Dialog nun vor?

Ich stelle mir vor: daß 1. die Gespräche in den Fachbereichen fortgesetzt werden. Daß 2. die beratenden Kommissionen in den wissenschaftlichen Einrichtungen und auf Fachbereichsebene eingerichtet werden, um dort eine Studienreform zu erarbeiten. Und daß 3. die universitätsweite Kommission zur Mitbestimmung eingerichtet wird und dort alle Vorstellungen zur Mitbestimmung erörtert werden, im Sinne einer gemeinsamen Initiative zur Gesetzesnovellierung.

Ein anderer Punkt: Die StudentInnen fordern, daß alle Straf- und Ermittlungsverfahren eingestellt werden. Werden Sie sich dafür einsetzen?

Ich habe in meinem Fachbereichsrat gegen die generelle Einstellung der Strafverfahren gestimmt, weil ich das im einzelnen nicht übersehen kann. Ich weiß von völlig unerträglichen Übergriffen von Polizisten auf Studenten, ich habe aber auch glaubhafte Zeugen, daß es auch umgekehrt zu heftigen Übergriffen kam. Ich verstehe aber diese Forderung, ich unterstreiche auch, daß es ohne diesen Polizeieinsatz nicht dazu gekommen wäre.

Und die Seminar-Scheine?

Ich setze mich dafür ein, daß Studenten für autonome Seminare in begrenztem Umfang Scheine erhalten. Praktisch würde das bedeuten, daß sich eine Gruppe von Dozenten bereit erklärt, die Schirmherrschaft für die Vergabe von Scheinen zu übernehmen und die Scheine nach Absprache mit den SeminarteilnehmerInnen über die Leistungskriterien in eigener Verantwortung zu vergeben. Ich bin dazu bereit.

Wie groß ist eigentlich Ihr Rückhalt im konservativ -liberalen Spektrum?

Die Idee zu dieser Initiative kam weitgehend von dem linken Dozenten Hajo Funke. Wir haben das dann gemeinsam vorangetrieben, weil er gute Kontakte in das linke Lager hat, und ich selbst über gute Kontakte zur anderen Seite verfüge. Wir haben unser Vorhaben mit beiden Seiten immer wieder besprochen, und das wird dort auch getragen.

Zurück zu dieser universitätsweiten Kommission, die die Mitbestimmungsfrage erörtern soll: Sie besitzt keinerlei Verbindlichkeit.

Sie haben Recht, verbindlich ist noch nichts geregelt. Unsere Idee ist, daß alle funktionalen und hochschulpolitischen Gruppen vertreten sein müssen. Daß Personen mitarbeiten, die natürlich ihre Prinzipien haben, aber das Ganze nicht boykottieren, sondern zur Kooperation bereit sind. Ich hoffe, daß das gelingen kann. Wir haben bis zum Sommersemester wohl noch kein neues Hochschulgesetz ausgearbeitet. Aber wir wollen bis dahin Bericht erstatten.

Nun bestehen in der Mitbestimmungsfrage zwischen links und rechts sehr unterschiedliche Vorstellungen. Wie sehen Ihre Vorstellungen aus, oder umgekehrt: Was wäre Ihnen denn zuviel?

Ich will mich da nicht drücken, aber ich kann dazu noch nichts endgültiges sagen.

Nach Vorstellung der Linken sollte ja alles ausgeschöpft werden, was im Rahmen des Bundesverfassungsgerichtsurteils möglich wäre. Teilen Sie das?

Ich sage, wir sollten alles erörtern. Aber ich kann nicht sagen, daß alle Spielräume ausgeschöpft werden sollen. Das muß ich prüfen.

Nun stellen sich die Fragen ja sehr konkret: Wären Sie denn dafür, die „doppelte Mehrheit“ der Professoren abzuschaffen? Sind Sie dafür, im Konzil wieder eine Viertelparität einzuführen, wie das früher der Fall war?

Ich bin da offen. Meine linken Kollegen aus der gemeinsamen Initiative plädieren für die von Ihnen genannten Änderungen. Ich habe jetzt bei meinen Gesprächen festgestellt, daß sich manche Professoren neuen Bewegungen so borniert verschließen, daß ich mich frage, ob diese doppelte Mehrheit sachgerecht ist.

Ich habe aber mit den früheren Studenten auch die Erfahrung gemacht, daß Ideologisierungen die spezifischen wissenschaftlichen Anforderungen der Universität torpedieren können. Ich stehe zwischen diesen beiden Problemen. Bezogen auf die gegenwärtigen Studenten wäre ich damit einverstanden, die doppelte Mehrheit der Professoren in Frage zu stellen. Ob das auf die Dauer geht, weiß ich nicht.

Sie sitzen in der Viertel-Paritätischen Kommission, die am Otto-Suhr-Institut während des Streiks eingerichtet worden ist. Sie haben sich immer gegen Viertelparität ausgesprochen. Wie geht das zusammen?

Die Viertelparitätische Kommission ist ein informelles Gremium. Es ist in einer bestimmten Situation entstanden, aber die formelle Entscheidungsstruktur ist ja die alte geblieben: Der Fachbereichsrat entscheidet. In der gegenwärtigen Situation ist die Viertelparität kein Problem, weil ja festgelegt wurde, daß alles im Konsens entschieden wird. Ich hoffe, daß das lange anhält. Aber ich glaube nicht, daß das ein Modell für die Hochschulgesetze sein könnte.

Zu den Frauen-Forderungen: Sie haben gefordert, daß in den nächsten drei Jahren gerade zehn weitere Professuren für Frauen eingerichtet werden. Angesichts eines Anteils von 7,9% Professorinnen an der FU ist das doch mehr als dürftig.

Die zehn Professuren sind nicht für Frauenforschung, sondern für Professorinnen gedacht. Aber wir haben ja noch mehr Stellen gefordert, und wir wollen, daß davon ein erheblicher Teil an Frauen geht.

Was heißt: ein erheblicher Teil? Ohne verbindliche Festlegungen fallen Frauen immer wieder hinten runter. So ist überall die Erfahrung.

Ich bin kein Anhänger der Quote.

Die StudentInnen und ein Teil der Professoren fordern den Rücktritt von FU-Präsident Heckelmann.

Ich schließe mich der Forderung nach Rücktritt nicht an. Es macht keinen Sinn, auf einen Präsidenten einzuwirken, unseren Vorschlag zu übernehmen, und danach zu sagen, nun möge er zurücktreten.

Wie man hört, heißt die nächste FU-Präsidentin Gesine Schwan?

Ich kenne das Gerücht. Aber ich möchte das mit aller Entschiedenheit dementieren. Alle privaten und beruflichen Gründe sprechen dagegen.

Interview: Ursel Sieber

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