Urlaub auf der Bohr-Insel

■ Weil Zahnersatz durch Blüm bei uns zu teuer ist, empfiehlt Ungarn seine preiswerten Dentisten / Im Inland gibt es bereits Finanzierungsmodelle

Die Auswüchse der Blümschen Gesundheitsreform ließen nicht lang auf sich warten. Nun, da Patienten höhere Eigenbeteiligungen beim Zahnersatz, bei Hörgeräten, Brillen, Prothesen oder Rollstühlen zahlen müssen, werben Kreditunternehmen in medizinischen Fachzeitschriften mit eigentümlichen Angeboten. So bietet „Die Zahnarzt- und Laborkasse GmbH“ (DZL) in Leonberg den Zahnärtzten eine reibungslose Abwicklung mit den Patientenabrechnungen an. Dem Arzt wird eine „Sofortzahlung“ garantiert, dem Patienten dagegen ein „Finanzierungsmodell“ nahegelegt. Konkret heißt das, daß die DZL beim Zahnersatz den Eigenanteil des Patienten, vierzig Prozent der Gesamtkosten, direkt an den Arzt zahlt. Der Patient kann den Betrag dann in Raten an das Unternehmen abstottern - allerdings mit Zinsen. Diese würden, so Geschäftsleiter Volker Däuble zur taz, nach banküblichen Konditionen festgelegt. Derzeit liege der Effektivzins bei 9,8 Prozent. Dem Arzt solle durch solche Finanzierungsmodelle „der Rücken freigehalten werden“.

Der Präsident der Ärztekammer, Ellis Huber, appelliert in diesem Zusammenhang an die Zahnärzte und Zahntechniker der Stadt, nur mit „seriösen“ Kreditunternehmen zusammenzuarbeiten. Einige Zahnärzte zweifeln jedoch jetzt schon, ob die Zusammenarbeit mit solchen Unternehmen überhaupt rentabel sei. „Woher soll ich wissen, ob die koscher sind, ob sie mit dem Patienten korrekt abrechnen oder ob sie ihm auf die Pelle rücken“, sagt Zahnarzt Fröhlich. Ohne daß man es wisse, könne man seine Patienten mit solchen Kreditunternehmen abschrecken und verjagen. Darüber hinaus habe er auch Zweifel bei der Gewährleistung des Datenschutzes. „Die die Firmen könnten ja später mit den Daten des Patienten handeln.“

Eine anderer Auswuchs der Gesundheitsreform ist der neue Boom im Zahnbehandlungstourismus. So bietet beispielsweise das staatliche ungarische Reisebüro „Pannonia“ in Düsseldorf Urlaubsreisen speziell für eine zahnärztliche Behandlung etwa in Budapest, aber auch in touristischen Badeorten wie auf der Margeriteninsel an. „Wir legen den Kontakt zu den Ärzten“, sagt Geschäftsführerin Hedwig Kalla. Bei komplizierten prothetischen Behandlungen oder vielen Kronen lohne sich die Reise. Mit dem bei den Arztbesuchen gesparten Geld ließen sich leicht die Hotelkosten finanzieren. So liegt der Preis beispielsweise einer Verblendkrone in der Bundesrepublik bei 446 Mark, 186 Mark muß der Patient selbst zahlen. In Ungarn kostet dagegen eine Krone insgesamt nur 150 Mark. Man spare also 30 Mark, etwa soviel, wie bei „Pannonia“ täglich ein Hotelzimmer in Budapest mit Frühstück kostet.

Berliner, die denken, auf ähnliche Weise auch in der DDR Zahnarztkosten zu sparen, seien bei dieser Gelegenheit enttäuscht. Der Pressesprecher des DDR-Gesund heitsministerium, Günther Horn, betont auf taz-Anfrage: „Wir behandeln ausschließlich unsere eigenen Patienten.“ Nur für Unfallopfer und akut Erkrankte gebe es entsprechende Abkommen, die eine medizinische Behandlung erlauben. „Alle anderen schicken wir wieder nach Hause.“

Ärztekammerpräsident Huber sieht in solchen Phänomenen das Resultat einer „produzierten Massenhysterie“. Publizistisch sei die „drohende Gefahr“ viel zu hoch gespielt worden. Der Geschäftsführer der Zahntechniker-Innung, Ulrich Deus -vonHohmeyer, befürchtet jedoch, daß auf Dauer etwa 10 bis 20 Prozent der Zahntechniker arbeitslos werden. Ab Mitte Februar würden die Konsequenzen der Gesundheitsreform voll eintreffen. Deus-vonHomeyer rechnet mit 30 Prozent weniger Aufträgen. Mit dem Landesarbeitsamt habe er bereits erste Gespräche über die Möglichkeiten von Kurzarbeit für Arbeitnehmer der zahntechnischen Laboratorien geführt.

Die etwa 2.500 Zahnärzte und -techniker in der Stadt haben von der drohenden Flaute bisher noch wenig gemerkt. Jedes Jahr gebe es im Januar eine Flaute. „Die Leute wollen halt zu Weihnachten ihre Dinger drin haben“, sagt die Zahntechnikerin Siege, „und im Januar gibt es dann halt weniger Aufträge.“ Siege erwartet für Berlin „nicht so massive Auswirkungen“ der Gesundheitsreform. Die Leute „stehen hier mehr in der Öffentlichkeit als auf dem Lande und legen deshalb auch mehr Wert auf Ästhetik und Kosmetik“.

Elisa Klapzahn