: Keine Muskelberge (Tatort, So., ARD, 20 Uhr 15)
(Tatort, So., 22.1., ARD, 20 Uhr 15) Einstige Langweiler aus miefigen Tatort-Amtsstuben entwickeln sich zu schlagfertigen, bissigen Jagdhunden, wo Sylvia Hoffmann -Lucius die Regie führt.
Ein brisantes Thema, witzige Dialoge, eine exzellente Kameraführung und einfallsreiche Schnitte machten aus dem letzten Tatort einen Thriller, der so spannend war, daß er einige Male den bekannten Haaraufstelleffekt provozierte.
Der Plot: Ein bei einer High-Tech Firma als Chauffeur engagierter Ostagent erschießt den Laserspezialisten Dr.Bergner, als dieser die Machenschaften des Industriespions aufzudecken droht. Anschließend liquidiert er einen ahnungslosen Privatdetektiv, den Bergners eifersüchtige Frau auf ihren Mann angesetzt hatte. Bergners Sekretärin ist die blind verliebte Komplizin, die dem Chauffeur schließlich aufgrund einer winzigen Unstimmigkeit in ihrem Alibi die Maske vom Gesicht reißen hilft.
Trotz etlicher kunstvoll gelegter falscher Spuren, die Verwirrung und Spannnung steigerten, gelang es dem Drehbuchautor Hans Kelch und der Regisseurin, die Story nicht mit komplizierten Nebendetails zu überfrachten. Schon allein die rein filmische Präsentation führte des öfteren in die Irre und spielte genüßlich mit ironischen Selbstbespiegelungen und Reminiszenzen - an einen alten Miss Marple-Film beispielsweise, als eine Mörderhand einen enormen Theaterdolch langsam aus dem windgeblähten Vorhang dem wehrlosen Rücken einer jungen Frau zuführt. Schnitt und Brinkmann befindet sich in einer Schauspielprobe. Witz und Ironie besitzt auch dieser Kommissar, der den Konkurrenzkampf gegen die Muskelberge Schimanskis und neuerdings Peter Strohms nicht mit physischem Einsatz, sondern mit dem stark in Vergessenheit geratenen Mittel der Kombinationsgabe aufnimmt. Schon ganz zu Anfang fragte der Milchtrinker und Liebhaber dezent gestreifter Fliegen nach der militärischen Verwendbarkeit der Erfindung des ermordeten Laserspezialisten und zog Spionage in Erwägung. Und nie geriet er in Situationen, in denen ihm eine Pistole oder schnelle Fäuste nützlich sein konnten, was vermutlich nicht zuletzt mit der weiblichen Regie zusammenhing.
Das Loblied sei zu guter Letzt auch noch auf die Kamera angestimmt, wie sie beim Blick auf die in kaltblaues Licht getauchte futuristische Architektur des High-Tech Firmengeländes eine Atmosphäre der Bedrohung, fast des Grauens schürte.
Josefa Wittenborg
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