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Vom Nachttisch geräumt: LLULL

Ramon Llull (1232-1316) ist mit seiner „Ars compendiosa inveniendi veritatem“ eine epochale Figur der Philosophiegeschichte. Sein weniger oft zitiertes, aber dafür vielleicht häufiger gelesenes „Buch vom Freunde und vom Geliebten“ liegt jetzt in einer Übersetzung von Erika Lorenz vor. Die Professorin für Romanistik an der Hamburger Univerität hat schon einige Übersetzungen spanischer mystischer Texte vorgelegt. „Das Buch vom Freunde und vom Geliebten“ ist, das erklärt Erika Lorenz am Ende ihrer knappen Einleitung ganz zu recht, kein „Buch zur schnellen Lektüre“. Es „erschließt sich nur meditativ“. Die kurzen, manchmal nicht einmal fünf Zeilen langen Texte sind knappe Dialoge zwischen dem Gläubigen - „der Freund“ - und seinem Gott, dem „Geliebten“. Vom sprachlichen Reiz des Originals altkatalanisch - weiß ich nichts. Für Leser, die das Schmökern lieben, zu ihnen zähle ich mich, ist Llulls Text eher widerborstig. Wer den Umgang mit „Losung und Lehrtext“, mit „Worten für den Tag“ gewohnt ist, wer also gern kurze Texte als Anstoß zum langen Nachdenken benutzt, der wird hier fündig werden. Meine Lieblingsstelle ist diese: „Der Freund fragte Verstand und Willen,/ welcher von ihnen dem Geliebten näher sei./ Da liefen beide um die Wette, und der Verstand/ war eher beim Geliebten als der Wille.“ Wer weniger naiv an den Band herangeht, wird ihn lesen historisch nehmen und lesen als eines der Kultbücher europäischer Innerlichkeit.

Ramon Llull, Das Buch vom Freunde und vom Geliebten, aus dem Altkatalanischen von Erika Lorenz, Artemis-Verlag, 156 Seiten, 36,-DM

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