Geschäft mit Nieren in London

Britische Regierung ordnet Untersuchung über „kommerziellen Nierenhandel“ an / Zwei Türken angeblich zur Spende nach London „gelockt“ / Vermittler in der Türkei angeklagt  ■  Aus London Rolf Paasch

Die Anschuldigungen, daß zwei türkische Staatsbürger in London für ihre Nierenspende rund 6.500 Mark erhalten haben sollen, werden jetzt vom britischen Gesundheitsministerium untersucht. Der kommmerzielle Handel mit den Nieren war aufgeflogen, nachdem die türkische Polizei in der vergangenen Woche den angeblich als Vermittler auftretenden Türken Tunc Kunter verhaftet hatte.

Kunter, der mittlerweile wegen des in der Türkei illegalen Organhandels angeklagt ist, droht nun eine Haftstrafe zwischen zwei und vier Jahren. Die Behörden werfen ihm vor, Bauern zum Verkauf ihrer Niere überredet zu haben. Der Verhaftete behauptet, er habe an den von ihm organisierten Transplantationen weder verdient noch von ihrer Illegalität gewußt.

Nach Informationen des britischen 'Sunday Telegraph‘ hat eine Privatklinik den Handel mit der Türkei aufgezogen. Die britische Zeitung 'Independent‘ berichtete bereits am vergangenen Mittwoch, den beiden türkischen Bauern Ferhad Usta und Ahmed Koc seien im privaten „Humana Wellington Hospital“ in London im vergangenen Jahr Nieren entnommen worden. Während der arbeitslose Koc angeblich auf der Suche nach Arbeit nach London kam - und die Hauptstadt ohne die eine Niere, aber mit einer „Kompensation“ von 2.000 Britischen Pfund wieder verließ -, erklärte Usta, er habe das Geld für seine an Tuberkulose erkrankte Tochter in der Türkei gebraucht.

In der Londoner Klinik mit dem verpflichtenden Namen will man dagegen von dem kommerziellen Aspekt der Nierentransplantation nichts gewußt haben. Sowohl der Direktor des „Humana Wellington“ als auch der die Operationen ausführende Dr. Raymond Crockett waren ihrer Version nach in dem Glauben, die herausoperierten Nieren seien auf dem Wege in die nierenkranken Körper von Verwandten der beiden Spender. Dr. Crockett versicherte am Wochenende, er habe sich in den medizinischen Voruntersuchungen pflichtbewußt von der Eignung der Spendernieren und der Freiwilligkeit der Spender überzeugt.

Strenggenommen ist der kommerzielle Handel mit Organen in Großbritannien nicht illegal. Die britische Regierung hat allerdings eine Resolution des Europarates gegen den kommerziellen Organhandel unterstützt und 1985 den Krankenhäusern zu erkennen gegeben, daß sie solche Praktiken für „unerwünscht, unangemessen und unakzeptabel“ halte.