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Prozeßbesucher in Berliner Terrordatei

AL: Verfassungsschutz speicherte jahrelang die Daten von Besuchern politischer Prozesse / Ganze Schulklassen in der „NADIS„-Kartei / Daten auch an die Polizei  ■  Aus Berlin Till Meyer

Jahrelang hat das Berliner Landesamt für Verfassungsschutz (VfS) sämtliche Besucher von sogenannten Terroristenprozessen namentlich erfaßt und in der Hinweisdatei „NADIS“ abgespeichert. Das wurde dem Fraktionsvorsitzenden der Berliner Alternativen Liste, Wolfgang Wieland, im Rahmen des Untersuchungsausschusses über den Berliner VfS-Skandal jetzt „sicher bekannt“: Damit schlittert nun auch die Berliner Justiz in den Skandalsumpf des Verfassungsschutzes der Stadt. Entgegen dem Gebot einer Trennung von Justiz, Polizei und Geheimdienst hat es offenbar über Jahre eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen diesen Dienststellen gegeben - denn die Einlaßkontrollen zu den Prozessen obliegen eigentlich allein der Justiz.

Immer wieder hatten die Verteidiger in den genannten Verfahren den Verdacht geäußert, daß bei den Einlaßkontrollen die Daten der Besucher erfaßt und an Polizei und Verfassungsschutz weitergeleitet werden. Dagegen hatten die Gerichtsvorsitzenden der verschiedenen Kammern den Anwälten mehrfach versichert, daß die Kopien der Ausweise im Bereich des Gerichts verbleiben und damit ein Mißbrauch ausgeschlossen sei. Teilweise waren Richter gar bereit, die Kopien der Besucherdaten am Ende des jeweiligen Verhandlungstages eigenhändig zu zerreißen. Offenbar wurden aber jeweils mehrere Kopien gezogen, von denen eine dem Landesamt für Verfassungsschutz zugeleitet wurde. Da neben der Justiz auch immer der Polizeiliche Staatsschutz für die Sicherheit in sogenannten Terrorismus-Verfahren zuständig ist, kann davon ausgegangen werden, daß auch die Polizei eine Besucherdatei angelegt hat. Aber nicht nur die personenbezogenen Daten der Prozeßbesucher waren für die Schnüffelbehörde von Interesse: So wurden teilweise anhand von Autoschlüsseln, die den Besuchern abgenommen wurden, deren Wagen identifiziert und dem Landesamt gemeldet. Auf der Jagd nach „Sympathisanten“ hat der VfS so die Personendaten ganzer Schulklassen, die ihren Staatskundeunterricht in einen Gerichtssaal verlegt hatten, ebenso erfaßt wie die Daten von Tausenden anderer Prozeßbesucher.

Immer wieder hatten auch die politisch Verantwortlichen in Berlin die Speicherung der Daten geleugnet. Für den AL -Fraktionsvorsitzenden Wieland, der selber als Rechtsanwalt in sogenannten Terrorismus-Verfahren tätig war, ist die jetzige Erkenntnis auch mehr als nur die Bestätigung eines immer wieder geäußerten Verdachtes. In einem „offenen Brief“ an den Präsidenten des Berliner Amtsgerichts fordert Wieland „die vollständige Aufklärung“ der Vorgänge und die „Garantie, daß derartiges nicht weiter fortgeführt wird“. Für ihn besteht auch kein Zweifel daran, „daß mit diesem Vorgehen in das Prinzip der Öffentlichkeit der Hauptverhandlung eingegriffen wurde“. Denn, so Wieland zur taz: „Wer geht in so ein Verfahren, wenn er damit automatisch zum Verfassungsfeind erklärt wird?!“

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