: Fürsorgliche Bespitzelung durch Verfassungsschutz
Interne Vermerke des Berliner Verfassungsschutzes belegen die fortgesetzte Bespitzelung von taz-Mitarbeitern schon aus „zeitgeschichtlichen Gründen“ ■ Von Till Meyer
Berlin (taz) - „Alle Vorwürfe treffen zu, die schlimmsten Befürchtungen haben sich bestätigt.“ Diese erste Bilanz zog in einer gestrigen Pressekonferenz der Alternativen Liste der Fraktionsvorsitende Wolfgang Wieland zum Komplex Bespitzelung der taz durch den Verfassungsschutz. Neun Jahre lang war die taz als Ganzes „Verdachtsobjekt“ und damit sämtliche Mitarbeiter im Visier des Amtes. Dies ging bis zu Karikaturisten, Technikern und Mitgliedern des Förderkreises. Von Anfang an gab es zwar Bedenken einzelner Mitarbeiter des Amtes gegen diese umfassende Bespitzelung, dies verhinderte allerdings nicht, daß erst im Mai 1988 die Beobachtung der taz als Ganzes eingestellt wurde. Bis dahin gab es laufend „Nachträge“ in die Personalakten der taz -Journalisten.
Als Beleg für diese Informationen präsentierte Wieland zwei interne Vermerke aus dem Landesamt für Verfassungsschutz aus den Jahren 1979 und 1981. In dem Vermerk vom November 1979 handelt es sich um das Ergebnis einer amtsinternen Überprüfung einer Personalakte eines taz-Mitarbeiters. Darin kommt der Prüfer zu dem Schluß, daß nach „sorgfältiger Prüfung der fast 200 Seiten umfassenden Akte keinerlei Anhaltspunkte zu erkennen sind, daß die Datensammlung über Herrn X jemals innerhalb des gesetzlichen Auftrags des LfV Berlin gelegen hat. Ich schlage deshalb vor, daß das Aktenzeichen im „Nadis“ widerrufen und die PA vernichtet wird.“
Wie aus dem zweiten von Wieland vorgelegten Vermerk vom 27. März 81 hervorgeht, endschied sich die Amtsspitze jedoch
anders. Unter fünf Punkten wird aufgelistet, warum auch in Fällen, in denen die konkrete Person selbst nicht
verfassungsfeindlicher Tätigkeiten verdächtigt wird, die
Personalakte weitergeführt werden soll. Da es sich bei
Journalisten um „im öffentlichen Leben stehende
Persönlichkeiten handelt, ist es zweckmäßig und
gerechtfertigt, die Akte schon allein aus
zeitgeschichtlichen Gründen aufzubewahren“. Im konkret
zugrundeliegenden Fall führt das Amt für die fortgesetzte
Speicherung sogar noch seine „Fürsorgepflicht“ ins Feld:
„Auf diese Weise anfallende künftige Erkenntnisse können
dann (...) im Zusammenhang mit der gesamten politischen
Aktivität richtig gewertet werden. Fortsetzung auf Seite 2
Das Aufheben der Akte dient in diesem Falle nicht zuletzt auch dem Interesse des Herrn X.“
Bei einer Vielzahl von taz-Mitarbeitern war einzig der Umstand, bei dieser Zeitung beschäftigt zu sein, Grund für die erstmalige Erfassung.
Genau dies hatte Innensenator Kewenig ein ganzes Jahr lang vehement bestritten und solche Behauptungen in den „Bereich der Fabel“ verwiesen. Noch am 1.Dezember 1988 hatte Kewenig vor dem Abgeordnetenhaus erklärt: „Ich empfinde es als skandalös, wenn ein Journalist, nur weil er bei einer bestimmten Zeitung arbeitet, zum Objekt des Verfassungsschutzes wird. Es findet aber nicht statt.“
Vor dem Untersuchungsausschuß, der sich mit den Skandalen der Berliner Schnüffelbehörde beschäftigt, hatte deren ehemaliger Chef Natusch die Philosophie seines Amtes verdeutlicht: Wenn man sammle, müsse man alles zusammentragen, auch erkennbar Unpolitisches, um im Interesse des Überwachten ein objektives Gesamtbild zu erhalten.
Die Vernehmungen von Mitarbei
tern des Amtes im Untersuchungsausschuß ergaben auch, daß ein V-Mann-Einsatz gegen die taz stattfand. Der hier eingesetzte Strafgefangene war lediglich noch nicht förmlich als V-Mann verpflichtet worden. Staatssekretär Müllenbrock tat wie immer vor dem Ausschuß ahnungslos und berief sich dabei auf seine beschränkte Aussagegenehmigung. Unklar blieb dadurch, welche Rolle er bei der Anwerbung des V-Mannes für die taz 1982 gespielt hat. „Hier“, so Müllenbrock, „sei das Wohl des Landes Berlin tangiert.“ Mit der gleichen Begründung wurden dem Ausschuß die hierrüber gefertigten Vermerke vorenthalten.
Da macht die AL aber nicht mit: Sie will die Herausgabe dieser Vermerke an den Ausschuß notfalls gerichtlich erzwingen. Dies ist um so
notwendiger, als es nach Angaben von VS-Mitarbeitern „im Haus“ immer wieder das hartnäckige Gerücht gab, in der taz sitze immer noch ein V-Mann.
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