: Walle wohl und niemand weh‘
■ Ab heute leben die Waller mit einer neuen Papp- und Freßkarton-Filiale wie Galla in Krankreich / Kölner Werbeagentur und „Plus“ warnen: Vorsicht, Wohlstand
Gestern wurden auf 10.000 Handzetteln die im Bremer Stadtteil Walle ansässigen Bürger zu wachsendem Wohlstand verdonnert. Anläßlich der Eröffnung eines Junk-Food-Ladens mit Papp-Appeal (Branchenkürzel: „Plus“) schrie ein vierseitiges zeitungsgroßes Werbeblatt mit fleischwurstroten Lettern aus allen Waller Briefkästen: „Super, daß jetzt auch hier der Wohlstand wächst!“
Walle lebt in Sauf und Rauch. Und keiner merkt's. Hinter vorgehaltener Arbeiter- und Kleinbürger-Fassade leben die Waller wie Galla in Krankreich. Endlich können die vom Elend der Arbeitslosigkeit verbeutelten Menschen im Bremer Westen so richtig die Sau rauslassen (ab heute in Form einer Hertha Fleischwurst, 500 g zu 2,49 DM).
Die Waller Mütter zischen sich einen Weichspüler (aprilfrisch für 4,49 DM), während die Waller Väter sich mit lukullischer Begierde eine Kindermilchschnitte nach der anderen in die Gurgel mantschen.
Walle fröhnt der heimlich hemmungslosen Schweinkaufslust (das Kilo 8,95 DM). Zur Vernissage des neuen Hohlstandstempels wird den angesprochenen Gästen quasi als Hors d'oeuvre eine heiße Bockwurst (65 g mit Senf und Toast zu 50 Pf) unter die Nase gerieben. Der Supermarktkette ist nichts zu billig, den Wohlstand mit gebührend preiswerter Etikette zu feiern. Schon sitzen frohe Menschen daran, den aufmunternden Werbeslogan dieser segensbringenden Filiale „Plus - prima leben und stehlen“ in die Waller Lokalhymne einzuarbeiten.
Eine Kölner Werbeagnetur erfand den an Hohlbirnigkeit und Zynismus unübertroffenen Wohlstands-Slogan. Der unten rechts als Faksimile abgebildete
Werbeblatt-Titel wird bundesweit von der „Plus -Warenhandlesgesellschaft“ in 4330 Mühlheim, Wiesoll Str. 5 vertrieben. Die oben angegebene Firma wird
Ihnen sicherlich auf Anfrage gern erklären, was es mit dem Waller Wohlstand auf sich hat und wo genau er wächst.
Til
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