„Wie die Türken in Deutschland“

■ Türkischer Abgeordneter wollte Bremer Sozialdemokraten für die Sache der unterdrückten Kurden gewinnen / Rausschmiß aus seiner eigenen sozialdemokratischen Partei

Ibrahim Aksoy, 42 Jahre alt, ist Abgeordneter im türkischen Parlament und außerdem Mitglied der Kommission, die beim Europaparlament in Straßburg über den Beitritt der Türkei zur EG verhandelt. Gestern war er in Bremen und sprach vor der SPD-Bürgerschaftsfraktion über die Demokratisierung in der Türkei und die Unterdrückung der kurdischen Minderheit. Aksoy, selbst Kurde, will in der SPD Unterstützung für die Sache seines unterdrückten Volkes gewinnen und das gegen die Führung seiner eigenen Partei, der sozialdemokratischen SHP. Von dort erreichte ihn gestern ein Fußtritt: Als er vor den Bremer Sozialdemokraten sprach, hatte ihn seine eigene Partei gerade in Abwesenheit ausgeschlossen. Der Grund: Bei einer Kommissionssitzung in Straßburg hatte Aksoy erklärt, daß es keine Demokratisierung in der Türkei geben könne, solange die Kurden unterdrückt werden. Das folgende Interview entstand, ehe er von seinem Rausschmiß erfuhr.

taz: Meinen Sie, daß der kurdischen Bevölkerung ihre kulturel

len Rechte gewährt werden müssen, ehe die Türkei Mitglied der EG werden kann?

Ibrahim Aksoy: Ja, sonst kriegen die Europäer Kopfschmerzen. Stellen Sie sich vor: In Bremen werden die Kurden dafür demonstrieren, daß sie ihre eigene Muttersprache gebrauchen können - in einem Mitgliedsland der europäischen Gemeinschaft.

Wie steht Ihre Partei, die SHP, zu diesen Forderungen?

Die SHP will nichts davon hören. Ein Freund von mir hat im Parlament nur das Wort Kurde verwandt und sollte dafür von der Partei ausgeschlossen werden. In sieben Provinzen wurden im Dezember die kurdischen Parteivorsitzenden der SHP, die demokratisch gewählt worden sind, von der Parteiführung abgesetzt und durch antikurdische Funktionäre ersetzt.

Viele Kurden wandern aus Ostanatolien in die Industriestädte des Westens, in Kurdistan bleiben nur die Alten und die Kinder. Löst sich das Kurdenproblem nicht von selbst?

Nein. Die Kurden machen in den Großstädten die schwersten und

schmutzigsten Arbeiten, sie leben dort wir die Türken in Deutschland. Sie ziehen in bestimmte Stadtviertel zusammen und halten zueinander. Das gibt ihnen einen gewissen Schutz. Mag sein, daß die türkische Regierung auf die Assimilation der Kurden hofft, aber das ist nicht so einfach. Viele

dieser kurdischen Arbeiter sind übrigens Mitglieder der SHP.

Wird diese kurdische Parteibasis nicht dafür sorgen, daß die Forderungen der Kurden von der Partei vertreten werden?

Ich hoffe es und ich arbeite dafür und viele handeln genauso wie ich.

Fragen: mw