: Durchsuchungen wegen Libyen-Deal
An 15 Orten im Bundesgebiet suchte die Staatsanwaltschaft nach Unterlagen über den Giftgas-Skandal / Verdächtigte Salzgitter AG den Behörden „ziemlich schnuppe“ / USA verschärfen Kritik ■ Von Petra Bornhöft
Berlin (taz) - Mühsam nähren sich die Eichhörnchen von der Staatsanwaltschaft Offenburg. Neun Monate nachdem die Bundesregierung und ihre Hilfsbeamten erstmals offiziell den Namen eines mutmaßlichen Drahtziehers des Giftgas-Geschäftes mit Libyen erfuhren, durchsuchten gestern Beamte Wohn- und Geschäftsräume der Imhausen-Chemie GmbH in Lahr. Die fünfzehn Durchsuchungen im Bundesgebiet betrafen neben Imhausen zwei weitere Firmen und zwölf leitende Mitarbeiter. Wer das im einzelnen war, wollte die Staatsanwaltschaft nicht mitteilen. Nach Angaben der Firmensprecher gegenüber der taz blieben die Salzgitter AG und die Siemens AG verschont.
Besonders die Salzgitter Industriebau GmbH (SIG), eine Tochterfirma der bundeseigenen Salzgitter AG, war vor zwei Tagen ins Zentrum der Hauptverdächtigten vorgerückt. Gestern bestätigte Staatsanwalt Benno Schulte von der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe gegenüber 'dpa‘ die Aussage eines Imhausen-Technikers, die Salzgitter Industriebau GmbH habe Blaupausen für die Anlage in Rabta gefertigt. Genau das wird vom Salzgitter-Konzern täglich aufs neue abgestritten. Auch der Siemens-Konzern hält seine Weste für blütenweiß. „Wir haben den Auftrag für Pharma 150 in Hongkong niemals bestritten“, so Dr. Horst Siebert zur taz, „eine Ausfuhrgenehmigung dafür war nicht erforderlich. Sämtliche Unterlagen hierzu haben wir der Staatsanwaltschaft Offenburg gegeben.“ Siemens wird beschuldigt, noch 1988 Schalttafeln, Computer sowie Meß- und Regelanlagen für die Dosierung von chemischen Substanzen in einer Großanlage geliefert zu haben.
Zu Siemens wollte sich der Leitende Oberstaatsanwalt Botz aus Offenburg gestern gar nicht äußern. Die Salzgitter Industriebau GmbH sei ihm „ziemlich schnuppe“. Nach seiner „Kenntnis der Aktenlage ist über einen Zusammenhang zwischen Imhausen und Salzgitter nichts bekannt. Und wenn da was wäre, wären wir nicht zuständig. Uns interessiert sonst ja auch nicht, was da so alles in Flensburg oder München passiert.“
Wer bei den Ermittlungsbehörden für wen und was zuständig ist, scheint insbesondere die Bundesregierung nicht zu wissen. So stellte sich gestern heraus, daß Kanzleramtsminister Wolfgang Schäuble letzte Woche das Parlament zumindest in einem Punkt nachweislich angelogen hat. Vor dem Bundestag hatte Kohls Bauchredner behauptet, die Staatsanwaltschaft Offenburg habe „am 16.Januar 1988 sämtliche strafrechtlichen Ermittlungen gegen deutsche Firmen an sich gezogen“.
Keine Silbe davon ist wahr. Tatsächlich hat vorgestern die Staatsanwaltschaft Frankfurt ihr Verfahren gegen die Firma des Libyen-Maklers Barbouti, IBI Engineering, abgegeben. „Das Ermittlungsverfahren wird sinnvollerweise dort geführt, wo der mutmaßliche Hauptverdächtige sitzt“, sagte ein Sprecher zur taz.
Ebenfalls der neuerlichen Unwahrheit überführt wurde gestern Regierungssprecher Friedhelm Ost. Sein Kollege aus dem Weißen Haus in Washington, Marlin Fitzwater, stellte klar: US-Präsident Bush habe sich nicht etwa bei Helmut Kohl „entschuldigt“ wegen der kritischen, amerikanischen Berichterstattung zur Libyen-Affäre. Bush habe lediglich seine „Sorge“ und sein „Bedauern“ ausgedrückt.
Bedeutsamer als diese „Peinlichkeit“ (SPD) dürften die heftigen Angriffe des erzkonservativen, republikanischen Senators Jesse Helms gegen die Bundesregierung sein. Bundesaußenminister Genscher attackierte Helms in Washington mit den Worten: „Wenn der deutsche Außenminister nichts wußte, so lag das daran, daß er nichts wissen wollte. Er hätte nur fragen müssen, um herauszufinden, wohin die deutschen Exporte gingen.“ Wütend verlangte Helms vom US -Justizminister, gegen die auch in das Libyen-Geschäft verwickelte Firma Siemens zu ermitteln. Solchen Unternehmen sollte man „das Wasser abdrehen“, fügte Helms hinzu - ohne ein Wort zu verlieren über die (vermutlich) ebenfalls beteiligte US-Elektronikfirma Harris.
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