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„Wir sind bereit, uns in einer Wahl zu messen“

Roberto Roca, Kommandant der Frente Farabundo Marti para la Liberacion Nacional (FMNL), zum Vorschlag der Guerilla, die Wahlen in El Salvador zu verschieben / Einzige Möglichkeit, die Ausweitung des Aufstandes zu verhindern  ■ I N T E R V I E W

taz: Ihr habt vorgeschlagen, die Wahlen zu verschieben. Vor welchem Hintergrund?

Roberto Roca: Mit dieser Initiative wollen wir eine neue Anstrengung unternehmen, um eine politische Lösung für den Konflikt von El Salvador zu finden. Auch weil wir wissen, daß das Volk die Situation nicht mehr erträgt, weder in wirtschaftlicher noch in militärischer noch in sozialer Hinsicht. Wir sagen, daß die einzige Möglichkeit eine souveräne Lösung unter Salvadorenos ist, ohne ausländische Einmischung.

Was beinhaltet der Vorschlag?

Wir wissen, daß die FMNL zusammen mit den anderen demokratischen Organisationen die Mehrheit des Volkes darstellt. Und das nicht nur theoretisch - wir sind auch organisatorisch und politisch auf die Machtausübung vorbereitet. Wir sind bereit, unsere Kräfte in einer Wahl zu messen. Wir schlagen deshalb wirklich freie und saubere Wahlen mit genügenden Kontrollmöglichkeiten vor, bei denen alle Salvadorenos, auch diejenigen, die außer Landes sind, sich frei entscheiden können.

Soll das heißen, Ihr wollt den Aufstand gegen freie Wahlen austauschen?

Teilweise ja, weil der Aufstand ja schon stattfindet. Was wir anbieten, ist eine Formel, um die maximale Ausweitung des Aufstandes zu verhindern. Solange der Gegner nicht bereit ist, eine realistische Lösung zu akzeptieren, solange dieser Vorschlag nicht angenommen wird, fangen wir gar nicht erst an, Einzelheiten zu diskutieren, und werden wir unsere militärischen Aktivitäten und die Massenmobilisierung auch nicht zurücknehmen. Wir sagen ganz realistisch: Es gibt Möglichkeiten, den Konflikt politisch zu lösen, obwohl angesichts der Kriegstreiberei der Duarte-Regierung und der nordamerikanischen Verwaltung die einzige Möglichkeit, auch für eine politische Lösung, darin liegt, stark genug zu sein. Und wir werden täglich stärker.

Warum macht Ihr diesen Vorschlag erst jetzt?

Vor einem Jahr organisierte die Regierung eine Kampagne, um glauben zu machen, daß die Wahlen im März frei, ehrlich und sauber würden. Wenn wir damals unseren Vorschlag gemacht hätten, hätten wir an dieser Farce teilgenommen. Seit den Bürgermeister- und Deputiertenwahlen im März '88 haben wir gesagt, daß betrogen wurde, das gilt auch jetzt für die Präsidentschaftswahlen. Jetzt wollen wir mit unserem Vorschlag dem gesamten Volk, und zwar allen gesellschaftlichen Schichten unseres Landes, klarmachen, daß diesem Wahlbetrug ein „Basta!“ entgegengesetzt wird.

Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Vorschlag und dem US-Regierungswechsel?

Wir meinen, es ist ein günstiger Moment, daß die neue nordamerikanische Verwaltung über diesen Vorschlag nachdenkt. Jetzt findet ein Wechsel statt, bei dem der Herr Bush mit praktischem Verstand und Realismus die Situation in den verschiedenen Regionen der Welt analysieren muß. Es ist ein günstiger Moment in internationaler Hinsicht, weil in fast allen bewaffneten Konflikten jetzt nach Lösungsmöglichkeiten gesucht wird: Palästina, Südafrika, Kamputschea, Afghanistan, Nicaragua. Wir haben schon immer gesagt, daß unser Konflikt, unsere Revolution, die wirkliche Volksdemokratie in Salvador die nordamerikanischen Interessen nicht berührt. Wir sind daran interessiert, einen Modus vivendi zu finden, der die nationale Sicherheit der USA garantiert, aber gleichzeitig den Salvadorenos ihr heiliges Recht auf Souveränität, Selbstbestimmung und politische Unabhängigkeit gewährt.

Interview: Juan Antonio Morales/apia

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