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Stalin-Ramsch im Ausverkauf

Moskau (dpa) - Bildnis und Werke des früheren sowjetischen Diktators Josef Stalin finden auch in einer UdSSR der Perestroika noch ihre Liebhaber. Allerdings müssen sich die Anbieter derartiger Ladenhüter etwas einfallen lassen, um die oft skurrilen Auswüchse des Personenkults an die sowjetischen Bürger zu bringen, berichtete die Regierungszeitung 'Iswestija‘.

In einer Verkaufsanzeige in der Moskauer Abendzeitung 'Wetschernjaja Moskwa‘ hatte eine Frau die Gesammelten Werke Stalins nur in Verbindung mit seltenen anderen Büchern angeboten. „Nur Stalin verkaufe ich nicht, das kauft niemand“, so die Frau zur 'Iswestija‘. In einer weiteren Anzeige waren 13 Stalin-Bände nur zusammen mit einem Eßtisch und einem Geschirrschrank angeboten worden. „Bedenken Sie, das ist die letzte Ausgabe, die Bücher kommen nicht wieder heraus“, habe die Besitzerin versucht, den Preis von 400 Rubel (rund 1.200 Mark) zu rechtfertigen. Ebenfalls in der Abendzeitung seien eine 50 Zentimeter hohe Stalin-Figur aus bemaltem Porzellan und ein Bronzerelief mit Stalin-Profil auf Marmoruntergrund angeboten worden. „Das Relief ist eine Originalarbeit aus dem Jahr 1946. Damals wurden nur sechs angefertigt. Alles in gutem Zustand“, habe die Eigentümerin ihre Ware angepriesen und mit 750 Rubel (rund 2.250 Mark) einen halben sowjetischen Durchschnittsjahreslohn dafür verlangt. Sie habe schon viele Angebote, und das Telefon klingele „dauernd bis ein Uhr nachts“. Die Frau habe eine Anzeige aufgegeben, weil es staatliche Läden abgelehnt hätten, die Gegenstände in Kommission zu nehmen.

„Zum Glück sind die Zeiten endgültig vorbei, da ein Druckfehler im Namen des großen Vaters und weisen Lehrers mit jahrelanger Lagerhaft oder gar dem Leben bezahlt wurde“, schreibt die 'Iswestija‘ weiter. Damals seien derartige Anzeigen „nicht nur unmöglich, sondern einfach undenkbar“ gewesen. Allerdings fänden sich auch heute noch „Käufer für Ladenhüter mit Stalin-Siegel“.

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