: Heil Hitler, Berlin
oder Perestroika auf deutsch ■ G A S T K O M M E N T A R
Die Häuser gehören denen, die in ihnen wohnen. Die Fabriken, Theater, Schulen gehören denen, die darin arbeiten und lernen. Die Stadt gehört ihren Bürgern. Sie beginnen, ihren Ort zu verwalten. Die unvernünftige Vernunft ist ausgebrochen. All das stand nicht zur Wahl. In Berlin, elf Jahre vor dem Ende des zweiten Jahrtausends nach dem Tod eines Mannes, der die korrupten Händler aus dem Tempel gejagt hat. Zur Wahl standen: Nazis, Feiglinge und Idioten. Sie sind gewählt worden. Die Stadt, in der ich lebe, hat sich zur Kenntlichkeit entstellt. Gesindel hat Gesindel gewählt. Jetzt verstehe ich, warum keiner dem Volk trauen darf, dem er entwachsen ist. Es hat keine Meinung, will sie also sagen. Es hat keine Stimme, will sie also abgeben. West -Berlin, in dem es kein Bürgertum und keine Arbeiterklasse gibt, keine Kultur des Reichtums und keine der Armut, hat sich entschieden: Wir wollen weiter jede Minute mit 41.857 DM ausgehalten werden, statt zu verstehen, daß wir in einem Hurenhaus leben. Die Hure SPD wird sich mit dem Zuhälter CDU zusammentun, damit die Kasse stimmt. Die Alternative Liste und die Republikaner (ich bin glücklich über ihren Erfolg: er macht die Fratze der Stadt sichtbar) werden draußen bleiben, und das Mompgen wird blond, aber kahl über der „internationalen“ Stadt wachen, die, ach Gott, so sehr bedroht ist. Wer eigentlich will einen solchen Dreckhaufen? Wer den Deutschen die Wahl läßt, ist ein Verbrecher. Deutschland ist Berlin. Und Berlin will die Verhältnisse, die sind: sicher und ruhig und ordentlich. Soll der Russe, dem wir 20 Millionen hingemacht haben, seine Verhältnisse ändern, soll er seine Häuser und Fabriken und Theater und Schulen in Besitz nehmen. Berlin applaudiert. Berlin will das nicht. Berlin ist tot, und dabei soll es bleiben. Berlin hatte die Wahl.
Thomas Brasch, Filmemacher und Regisseur
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen