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Maggie Thatcher zwitschert...

...zum Schutz der Säbelschnäbler / Vogelfreunde haben sie zur Patin gemacht  ■  Aus London Rolf Paasch

London, King's Cross Station, an einem Montagmorgen im Januar. Auf Bahnsteig Nr.8 herrscht große Aufregung. „Entschuldigen Sie bitte die Körperkontrolle“, raunt mir die Pressedame vom Vogelschutzbund zu, „aber wir kriegen heute hohen Besuch.“ Zum Auftakt der Hundertjahr-Feier der „Royal Society for the Protection of Birds“ (RSPB) hat sich hinter der Absperrung die ganze Elite der britischen „Conservationists“ versammelt, wie die rückwärtsdenkenden Umweltschützer hierzulande genannt werden. Da unterhält sich die Chefredakteurin der Zeitschrift 'Home and Country‘ angeregt mit dem Reporter des 'Birdwatching Magazine‘, da fachsimpeln der Briefmarkenexperte der „Royal Mail“ und der PR-Agent der Britischen Eisenbahn mit den Erblaßverwaltern der sogenannten „Heritage„-Industrie, für die selbst der verarmte Landadel in seinen zerfallenen Country-Häusern eine bedrohte Spezies darstellen.

Ihr Thema: der „Avocet“, auf deutsch etwas weniger rasant „Säbelschnäbler“ genannt. Dieser watende Bewohner sumpfiger Flußdeltas wird als Symbol der RSPB eine Sonderbriefmarke zum heutigen Festtage des Vogelschutzbundes schmücken. Und auch die auf Gleis 8 wartende Lokomotive soll gleich von höchster Hand auf den Namen des krummschnäbligen Flugtieres getauft werden. Seitdem sich Premierministerin Thatcher durch ihre berühmte Rede zum Ozonloch im September 1988 zur prominentesten Umweltschützerin des Landes erkoren hatte, kam für die Taufzeremonie des Vogelschutzbundes niemand Geringeres in Betracht.

So energische Ladies wie die Eiserne, so erzählt uns der Vorsitzende des RSPB, seien es auch vor einem Jahrhundert gewesen, die damals in Manchester den „Fell- und Feder-Club“ gegründet hätten. Recht bald wurde dieser Wohlfahrtsverband, der sich die Beendigung des Wildfederhandels für den Hutschmuck der viktorianischen Damenwelt zum Ziel gesetzt hatte, in die RSPB umbenannt.

Heute ist der Vogelschutzbund mit einem Jahresetat von 20 Millionen Mark und 500 festen Mitarbeitern der größte im Umweltschutz tätige Wohlfahrtsverband Europas. Mit einer halben Million Mitgliedern zählt er fast doppelt so viele Anhänger wie die Labour Party. Die Briten waren halt immer schon ein eher kontemplatives als ein revolutionäres Volk. Während es in Südeuropa populär ist, zum Zeitvertreib auf vorbeifliegende Zugvögel zu ballern, strömen im Vereinigten Königreich jährlich hunderttausende Vogelliebhaber in die 115 Naturreservate der RSPB, um dort dem Volkssport des friedlichen „Birdwatching“ zu frönen.

„Ich hab's ja gesagt“, ruft die Dame vom Presse -Informationsamt entzückt, „sie kommt heute im grünen Jackenkleid.“ Wie ein graziler Avocet schreitet die Chefin aller Inselbewohner auf die Lokomotive zu, mit Adleraugen erkennt sie, daß die aufgestellten Mikrophone der versammelten Fotografenhorde den „Schuß“ vermasseln. Schließlich ist Margaret Thatcher nicht nur die Premierministerin Großbritanniens, sondern auch die Meisterin des „Photocalls“, jener publicityträchtigen Stipvisite, die auch hierzulande - ganz nach amerikanischem Muster - langsam, aber sicher die politischen Inhalte ersetzt.

Sie sagt alles, was eine konservative Bewahrerin bei solchen Anlässen sagen kann. „Wir fühlen uns als die Hüter der Natur.“ Und: „Eine so erfolgreiche Wohlfahrtsorganisation wie die RSPB ist das beste Beispiel für private Initiative auch im Umweltschutz.“ Da verzeihen ihr die versammelten Vogelfreunde gerne, daß sie in der Eile ihres Engagements „protection“ mit „prevention“ verwechselt und aus der RSPB die Königliche Gesellschaft zur „Verhinderung“ der Vögel macht. Während die ergrünte Premierministerin sich nach diesem Lapsus schnell wieder zum Regieren davonstiehlt, steigt die Jubiläumsgesellschaft an Bord des „Bird-Express“ und läßt sich zum Hauptquartier des Vogelschutzbundes nördlich von London chauffieren. Wer dort allerdings gegrillte Wachteln zum Festtagsschmaus erwartet hatte, mußte mißmutig in den trockenen Stangensellerie beißen. Und wer dann noch den Mut hatte, den RSPB -Verantwortlichen für Europäische Angelegenheiten nach der Haltung der Regierung Thatcher zum in Brüssel vorliegenden Entwurf der EG-Kommission für den „Schutz natürlicher Lebensräume für Flora und Fauna“ zu fragen, der wurde ebenfalls enttäuscht. Auf die Frage, wer denn die vom RSPB befürworteten, progressiven EG-Richtlinien blockiere, lautete die verschämte Antwort: „Spanien - und Großbritannien“.

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