Rechtsradikale stürzen Berliner Senat

■ Alte CDU/FDP-Koalition ohne Mehrheit / Rechtsradikale Republikaner erobern mit mehr als acht Prozent das Abgeordnetenhaus / Zitterpartie für die FDP / Große Gewinne für die AL / Auch SPD geinnt hinzu / Große Koalition in Berlin?

Berlin (taz) - Eine rechnerische Mehrheit von Sozialdemokraten und Alternativer Liste, dramatische Verluste für CDU und FDP und vor allem: die rechtsradikalen „Republikaner“ ziehen in das Berliner Abgeordnetenhaus ein. Das ist das Ergebnis des gestrigen Wahlsonntags. Nach Hochrechnungen der ARD (19.40 Uhr) hat es die reaktionäre Partei geschafft, elf Mandate im Parlament zu besetzen. Die CDU wurde mit 36,2 Prozent gehandelt - satte zehn Prozent weniger als 1985. Die Sozialdemokraten konnten sich danach von 32 auf über 37,8 Prozent verbessern, die FDP wird voraussichtlich in der nächsten Legislaturperiode nicht mehr im Parlament vertreten sein; sie schaffte der ARD zufolge gerade 3,8 Prozent - 1985 konnte sie noch mehr als doppelt so viel verbuchen. Die AL landete gestern bei 12,3 Prozent.

Ob aus der rechnerischen Mehrheit von AL und SPD ein rot -grünes Bündnis wird, ist mehr als fraglich. Der Spitzenkandidat der SPD, Walter Momper, hat eine Koaltion mit den Alternativen im Wahlkampf mehrmals ausgeschlossen. Allerdings ist auch kein Sozialdemokrat in Berlin ernsthaft davon ausgegangen, daß eine Chance bestünde, den CDU/ FDP Senat abzuwählen. Die AL erneuerte noch gestern abend ihr Angebot an die SPD, eine gemeinsame Regierung zu stellen.

Freude über das miserable Abschneiden der FDP und der Christdemokraten konnte sich bei den meisten SPD- und AL -Mitgliedern gestern aber wegen des erschreckenden Abschneidens der „Republikaner“ nicht einstellen. Rund 120.000 BerlinerInnen, oder acht Prozent, gaben der rechten Truppe ihre Stimme. Die „Republikaner“ setzen sich in Berlin vor allem aus früheren CDU-Mitgliedern zusammen, die der Partei Mitte der achtziger Jahre entäuscht den Rücken kehrten, weil ihnen die CDU-Senatspolitik zu lasch war. Vor allem kritisierten sie die Ausländer- und Deutschlandpolitik der Berliner CDU. Da die NPD in Berlin verboten ist, kandidierten die „Republikaner“ gestern am rechten Rand außer Konkurrenz.

Angesichts der dramatischen Verluste der Berliner CDU und der Stimmengewinne für die „Republikaner“ zeigten sich Führungskreise in der CDU-Parteizentrale in Bonn am Sonntag abend zunächst sprachlos.

Aus informierten Unionskreisen verlautete unterdessen, daß spätestens seit Beginn der Woche mit beträchtlichen Gewinnen bei den Republikanern gerechnet wurde. Nachdem sich abzeichnet, daß der CDU/FDP-Senat keine Mehrheit mehr haben werden, werteten die Unionskreise die Situation als „völlig offen“. Bei möglichen Koalitionen sei jetzt „alles drin“, wobei allerdings die Republikaner offenkundig von vornherein ausgeklammert werden.

ccm