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USA: Anklage wegen Chemieexport

■ US-Bürger stellte sich den Zollbehörden / Niederländer wurde in Mailand festgenommen / Exportpapiere gefälscht und Ausgangsstoff für Senfgas in den Iran und den Irak geliefert /

Baltimore (ap) - Vor einem Gericht in Baltimore haben die US -Zollbehörden am Montag Anklage gegen zwei Männer erhoben, die beschuldigt werden, Chemikalien, die zur Herstellung von Senfgas verwendet werden können, in den Nahen Osten exportiert zu haben. Einer der Angeklagten, der 64jährige Nicholas DeFino aus New Jersey, hatte sich am Montag morgen den US-Behörden gestellt. Der andere Beschuldigte, der Niederländer Frans Van Amraat, war am 26. Januar in Mailand festgenommen worden und soll an die USA ausgeliefert werden, wie Staatsanwalt Willcox mitteilte. Die beiden hätten Exportpapiere gefälscht und damit gegen die US-Exportgesetze verstoßen.

Willcox zufolge wurden die Chemikalien während des Golfkrieges in den Iran und den Irak geschickt, um bei der Herstellung von Senfgas verwendet zu werden. Die Herstellerfirma Alcolac aus Baltimore hat sich bereits schuldig bekannt, die Exporbestimmungen verletzt zu haben, indem sie Thiodiglycol ausführte, aus dem Senfgas entsteht, wenn es mit Chlorwasserstoffsäure vermischt wird. Staatsanwalt Willcox sagte, in einem Fall seien die Chemikalien über die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich und Singapur in den Iran gelangt, in vier anderen Fällen offenbar über Jordanien. Die Ermittlungen der US-Behörden hatten im Juli zur Festnahme des Deutschen Peter Walasschek geführt, der 1987 und 1988 drei Lieferungen der Chemikalie zur Ausfuhr nach Griechenland und Singapur gekauft, sie dann aber nach Iran weitergeleitet haben soll.

Die 'New York Times‘ hatte bereits am Sonntag berichtet, ein iranischer Diplomat in Bonn habe 1987 90 Tonnen Thiodiglycol gekauft. Das Geschäft sei über Firmen in der Bundesrepublik, den USA, Griechenland und Asien abgewickelt worden. Der iranische Diplomat soll die Chemikalie über einen deutschen Mittelsmann und eine deutsche Firma von einem US-Unternehmen in Baltimore gekauft haben. Mit einer Tonne des Stoffes lasse sich mindestens eine Tonne Senfgas herstellen. Von der Senfgas-Komponente seien dann 1987 etwa 90 Tonnen über ein griechisches Unternehmen und eine Firma in Singapur in den Iran verschifft worden. Eine weitere Lieferung von 120 Tonnen sei vom Zoll aufgefangen und durch Wasser ersetzt worden, um den Transport zu beobachten. Die 'New York Times‘ schrieb weiter, die iranische Botschaft habe auf Anfrage mitgeteilt, der Diplomat halte sich derzeit zu Ferien im Iran auf, er sei nicht zu erreichen. Die deutsche Firma habe jede Stellungnahme abgelehnt, Vertreter des US-Unternehmens, gegen das inzwischen ermittelt werde, hätten bestritten, von den Lieferungen gewußt zu haben.

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