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Kein Berufsverbot für Vergewaltiger

■ Saarbrücker Schöffengericht verurteilt ärztlichen Polizeigutachter wegen sexueller Nötigung / Der Mann hatte im Dienst eine Drogensüchtige zu sexuellem Kontakt gezwungen / Kein Berufsverbot

Saarbrücken (taz) - Erst fünf Jahre nach der Vergewaltigung im Dienst wurde am Montag der Täter, ein Arzt, verurteilt. Ein Jahr Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen Nötigung und sexuellen Mißbrauchs Gefangener (Paragraphen 240 und 174a Strafgesetzbuch) verhängte das Schöffengericht der Stadt. Aber nach wie vor ist es dem Vergewaltiger erlaubt, bei Bedarf als Polizeiarzt auf der Krankenwache in Saarbrücken zu arbeiten.

Der niedergelassene Arzt und gelegentliche Polizeigutachter Dr.Klaus Schmitt war im Januar 1984 auf die Polizeiwache Kracherstraße in der Innenstadt gerufen worden, um eine Frau auf Einstichstellen hin zu untersuchen. Sie war wegen Verdachts auf Drogensucht festgenommen worden.

Statt dessen aber brachte der Arzt die Frau - der wegen ihres Rückfalls eine viereinhalbjährige Bewährungsstrafe drohte - in eine Zelle und zwang sie dort, ihn auf verschiedene Arten zu befriedigen. Dafür werde er zu Protokoll geben, keine Einstiche festgestellt zu haben, versprach Schmitt seinem Opfer.

Obwohl im Laufe des Verfahrens weitere Fälle sexueller Nötigung durch den Arzt bekannt wurden, zog das Amtsgericht ein Berufsverbot für den Arzt nicht in Betracht. So soll Schmitt zum Beispiel eine Prostituierte zu bestimmten Sexualpraktiken genötigt haben, andernfalls werde er bei der Polizei sagen, sie habe innerhalb des Sperrbezirks gearbeitet, wurde aus nichtöffentlicher Sitzung bekannt. Dennoch sahen Staatsanwalt und Gericht keine Hinweise auf eine Wiederholungsgefahr, die ein Berufsverbot gerechtfertigt hätten.

Dem Urteil ging ein mehrjähriger Kampf der Anwälte der 36jährigen mit der Justiz voraus: Die Staatsanwaltschaft leitete erst nach mehreren Beschwerden Ermittlungen und schließlich das Verfahren ein. Für die 36jährige Frau - sie hat mittlerweile eine Therapie hinter sich - war der Prozeß ein „Stück Vergangenheitsbewältigung“. „Einen Freispruch hätte ich nicht ertragen“, sagt die Frau, die sich heute noch aus Angst um jeden Arzttermin „herumdrückt“.

Bis zum Schluß hat der angeklagte Arzt die Tat geleugnet. Seine Anwälte haben nichts unversucht gelassen, der heute drogenfreien Nebenklägerin das Stigma einer „Abhängigen“ mit geringer Glaubwürdigkeit anzuhängen. Gegen die 36jährige läuft mittlerweile ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der uneidlichen Falschaussage. Die Frau soll in Zeugenvernehmungen unterschiedliche Aussagen zu ihrem früheren Haschischkonsum gemacht haben. „Ein Aussagepunkt, der die Kernaussage im Verfahren gegen Schmitt nicht im geringsten berührt“, empört sich ihr Anwalt Ting. Er will gegen das „zu niedrige“ Urteil Berufung einlegen. Außerdem soll das saarländische Innenministerium aufgefordert werden, Schmitt mit sofortiger Wirkung vom Dienst als Polizeiarzt zu suspendieren. Der Erfolg ist allerdings fraglich. Wie zu erfahren war, wurde „von hoher Stelle“ schon 1986 per Telegramm verfügt, den Arzt wieder als Gutachter zuzulassen.

Hans Thomas

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