MUSIK UNTERM TOTENKOPF

■ HdK-Kammermusikabend der Konzertreihe „Das Podium“

Mehrfach wurde der Präsident der HdK, Ulrich Roloff-Momin, von Wissenschaftssenator George Turner aufgefordert, die Totenkopfflagge entfernen zu lassen, die als Symbol des Streiks und der Besetzung lange vom Hauptgebäude der Hochschule über den Dächern der vom Unimut bewegten Stadt wehte. Jetzt demonstriert sie als Fassadenschmuck über dem Hauptportal von Dozenten und Studenten zur „arroganten Selbstgefälligkeit der politischen Macht, wie sie insbesondere in der Amtsführung des Wissenschaftssenators deutlich geworden ist.“

Doch Üben und Konzertieren gehört selbstverständlich zum Streikalltag dazu, auch wenn die Musiker mit ihrem Präsidenten eine neue Hochschulpolitik fordern. Das Podiumskonzert, das am Mittwoch im Konzertsaal Hardenbergstraße stattfand, wurde eröffnet mit der Sonate op. 166 für Oboe und Klavier von Camille Saint-Saens. Antje v.Moock studiert seit 1987 bei Hansjörg Schellenberg, der auch Solo-Oboist des Philharmonischen Orchesters ist. Der souveräne Vortrag der mit zahlreichen Preisen ausgezeichneten Musikerin wurde einfühlsam begleitet von Kaoru Motoo aus Yokohama in Japan, die seit 1985 bei Klaus Hellwig studiert, nachdem sie bereits in verschiedenen anderen Klavierklassen gearbeitet hat. Franz Liszt‘ einzige Klaviersonate, entstanden 1852/53, ist Robert Schumann gewidmet und gilt als die bedeutendste Klavierdichtung des Komponisten. Vom technischen und musikalischen Anspruch gehört diese formal und harmonisch herausragende Schöpfung zum absoluten Meisterrepertoire, womit Akiko Yamashita aus Tokio, seit 1983 der Klasse von Georg Sava zugehörig, in bezug auf die Farbgebung auch gewisse Probleme hatte.

Doch eindeutiger Höhepunkt des Abends war Ravels Streichquartett, vorgetragen vom Melin-Quartett, ein erst 1988 gegründetes, selbstsicher und eindrucksvoll auftretendes „Frauenquartett“, mit Iris Menzel und Marie Boettcher Violine, beide Schülerinnen von Thomas Brandis, dem ehemaligen Konzertmeister der Philharmoniker, Professor an der HdK und erster Geiger des Brandis-Quartetts, Ingrid Philippi, Bratsche, die erst in München und seit 1987 in der Klasse von Bruno Giuranna studiert, und Elke Funk, Violoncello, die Meisterkurse bei Flachot, Schiff und Navarra besuchte und seit 1987 bei Wolfgang Boettcher studiert, der lange Solo-Cellist der Philharmoniker war und auch im Brandis-Quartett spielt, das ein reines „Männerquartett“ ist. Beeindruckend war die gute Kommunikation und die spritzige Rhythmik des Ensembles. Sorgfältige Themenausarbeitung, bis in jedes Detail präzise, konstrastierten besonders im dritten Satz die leidenschaftlichen, charaktervoll verinnerlichten Solostellen des Cellos zu der glatten Kühlheit der Sordinopassagen. Kurzweilig auftretende Intonationsprobleme konnten den Erfolg des begeisternden Vortrags nicht mindern. Daß professionelle Musik in keiner weise Männerdomäne ist, dafür sollte diese herausragende Leistung nicht nur Berliner Orchestern als Beweis dienen.

Axel Körner