: Der Prinz und das Drahtseil
Die Revolution frißt ihre Nachfahren: Thronerbe geköpft ■ PRESS-SCHLAG
Alfonso de Bourbon y Dampierre, Herzog von Cadiz und Anjou, Cousin des Königs Juan Carlos, Enkel des Königs Alfonso XIII., Abkömmling Queen Victorias, dürfte als ähnlicher Unglücksrabe in die Geschichte eingehen wie sein berühmtester Vorfahr, Louis Capet, bekannt geworden unter dem Decknamen Ludwig XVI. von Frankreich und dahingeschieden auf dem Schafott der Revolution. Heiratete dieser damals eine gewisse Marie-Antoinette, die das französische Volk unter anderem dadurch aufbrachte, daß sie ihm riet, doch Kuchen zu essen, wenn es kein Brot habe, ließ es sich Alfonso nicht nehmen, mit der Enkelin eines blutrünstigen Putschisten namens Franco vor den Traualtar zu treten. Kaum hatte er Maria-Carmen Martinez Bordiu y Franco im Rahmen eines dekadenztriefenden Festes 1972 geehelicht, ernannte ihn Schwiegeropa Franquisimo dankbar zum Herzog von Cadiz und Anjou.
Doch die Mischung von Königs- und Tyrannenblut stand unter einem unglücklichen Stern. Die Ehe hielt nicht lange, und der wackere Alfonso beförderte einen der beiden Söhne aus dieser Verbindung mittels ungenügender Autofahrkünste höchstselbst ins Jenseits, wofür er sechs Monate Haft mit Bewährung aufgebrummt bekam. Des Fürsten diplomatische Karriere scheiterte, als Präsident des Nationalen Olympischen Komitees Spaniens tappte er von einem Skandal in den anderen, nach heftigen Streitigkeiten und Machtkämpfen mußte er schließlich seinen Hut nehmen. Und nun hat er sich pünktlich zum Jubiläum der Französischen Revolution auch noch selbst geköpft!
Nach dem Kombinationsslalom der Männer bei der Ski-WM in Colorado, besichtigte der 52jährige sportliche Prinz, seines Zeichens auch ehemaliger Präsident des Spanischen Skiverbandes, in Begleitung von Toni Sailer die Strecke. Im Zielraum spannten Arbeiter ein Drahtseil, um ein Transparent aufzuhängen. Ungeachtet einer Warnung Sailers raste der Prinz gegen das Seil, zog sich dabei eine „Durchtrennung des Hirnstammes“ sowie einen Schädelbruch zu und war auf der Stelle tot. Bereits gestern wurde er im Kloster der „Königlichen Barfüßerinnen“ zu Madrid beigesetzt.
So ging der Prinz von hinnen, ohne das erreicht zu haben, was ihm sein Leben lang als sein gutes Recht dünkte: König zu werden. Da hatte er sich so eifrig um die Familie Franco bemüht und mußte schließlich zähneknirschend mitansehen, wie nicht er, sondern Vetter Juan Carlos frohgemut den spanischen Thron erklomm. Noch bitterer für den erlauchten Alfons war es, daß es ihm verwehrt blieb, König der Franzosen zu werden, ein Amt, auf das er stets unnachgiebig und allen Anfechtungen zum Trotz Anspruch erhoben hatte. Nicht nur eine Bewegung, die die Wiedereinsetzung der Nachfahren Childerichs des Merowingers fordert, sondern auch ein schändlicher Usurpator namens Heinrich von Orleans, hatte dem bourbonischen Prinzen nämlich seinen Anspruch streitig gemacht.
Heinrich berief sich dabei auf den Vertrag von Utrecht aus dem Jahre 1713, in dem Frankreichs Ludwig XIV. und Spaniens Philipp V. auf die dynastischen Rechte im jeweils anderen Land verzichtet hatten. Die spanischen Bourbonen erkennen diesen Vertrag nicht an, und vor einigen Monaten bekamen sie recht - ausgerechnet von einem bürgerlichen Gericht, was die prinzliche Freude aber keineswegs trübte: „Ich muß anerkennen, daß mich viele Franzosen als ihren Thronerben ansehen“, verkündete Alfons der Bourbone, „und ich kann Ihnen versichern, daß ich bereit bin, und daß es eine ungeheure Ehre für mich wäre.“
Der Drahtseilakt von Beaver Creek machte dem monarchistischen Spuk nun ein Ende. Frankreich wird wohl oder übel Republik bleiben müssen.
Matti
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