: Geheime Nordirland-Verhandlungen
Das britische Fernsehen BBC berichtet von einem Geheimtreffen nordirischer Parteienvertreter im September 1988 in Duisburg / Verärgerung in Nordirland über die journalistischen Enthüllungen ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck
Nordirische Politiker haben gestern einen Bericht des britischen Fernsehens BBC vom Donnerstag bestätigt, in dem behauptet wird, daß Vertreter verschiedener Parteien Nordirlands zu Gesprächen zusammengekommen seien. Das Geheimtreffen hat im vergangenen September im Duisburger Hotel Angerhof stattgefunden. Daran teilgenommen haben die stellvertretenden Vorsitzenden der Offiziellen Unionistischen Partei (OUP), der Demokratischen Unionistischen Partei (DUP), der katholischen Sozialdemokraten (SDLP) und der kleinen Alliance Party als Vermittler zwischen den anderen Parteien. Nach dem Treffen hat es noch mehrmals - zumeist telefonische - Kontakte gegeben. Zwar hatten die Gesprächsteilnehmer kein offizielles Mandat ihrer Parteien, doch waren die Parteivorsitzenden jederzeit über den Stand der Gespräche informiert. Nachdem der BBC-Bericht gesendet worden war, bestätigte Gordon Mawhinney von der Alliance Party in einem Interview, daß in Duisburg eine Reihe politischer und sozialer Probleme besprochen worden seien, ohne daß man sich auf konkrete Vorschläge einigen konnte. Besonders in der Frage der nordirischen Polizeigewalt, die fest in protestantischer Hand ist, kam es zu keiner Annäherung, obwohl in dem BBC-Programm das Gegenteil behauptet worden war. Die Parteivorsitzenden John Hume (SDLP), James Molyneaux (OUP) und der rechtsradikale Pfarrer Ian Paisley (DUP) reagierten verärgert auf die Enthüllung der BBC und spielten die Bedeutung der Gespräche herunter. Hume sagte, der Fernsehbericht sei maßlos übertrieben. Seine Partei habe eine Fortsetzung der Gespräche abgelehnt, weil die Unionisten auf eine Rücknahme des angloirischen Abkommens vom November 1985 bestanden hätten. Das Abkommen soll der Dubliner Regierung ein eng umgrenztes Mitspracherecht in nordirischen Angelegenheiten einräumen. Bisher hatten Molyneaux und Paisley Verhandlungen mit der SDLP über eine Machtbeteiligung der Katholiken abgelehnt, solange das Abkommen fortbestehe. Beide Politiker stritten daher auch vehement ab, daß solche Verhandlungen stattgefunden hätten. Allerdings leugneten sie das Duisburger Treffen nicht. Molyneaux behauptete jedoch, es habe sich um ein normales kirchliches Seminar gehandelt.
Der Sprecher der britischen Labour Party für Nordirland, Kevin McNamara, bezeichnete die BBC-Enthüllung als „das unverantwortlichste Stück Journalismus“, das ihm jemals begegnet sei. Er glaubt, daß der BBC-Bericht die Gesprächsteilnehmer in eine peinliche Lage gebracht habe und die Kontakte deshalb möglicherweise abgebrochen würden. McNamara fügte hinzu, daß die Informationen über das Geheimtreffen nur von Leuten stammen könnten, die ein Interesse am Scheitern der Gespräche hätten.
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