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Ein Topf ist im Eimer

■ Statt der alternativen Szene hilfreich unter die Arme zu greifen, klopften sich Henning Scherf, Dagmar Lill und Sabine Uhl am Freitag im Lagerhaus selbst auf die Brust: Vom Wesen des Auffangtopfes

Der schon lange als Gerücht im öffentlichen Raum herumgeisternde „Auffangtopf“ für Bremens Misere kommt also. Mit einem Volumen von voraussichtlich 18 Millionen Mark, so verkündete Sozialsenator Henning Scherf am Freitagabend bei der Diskussion zum Abschluß der Aktionswoche im Lagerhaus, soll er vom Senat demnächst beschlossen und dann vom Arbeitssenator verwaltet werden. „Wir sind die erste Landesregierung, die einen solchen Topf aufmacht und damit versucht, dem brutalen Kahlschlag durch die 9. AFG -Novelle entgegenzuwirken“, klopfte sich Scherf stellvertretend für den gesamten SPD-Senat auf die Brust.

Vordergründig betrachtet scheint damit erreicht zu sein, was die Lagerhaus-Macher exemplarisch für die gesamte Pro

jektszene in Bremen fordern: weg von der Drittmittelfinanzierung und Einstieg in eine feste Existenzsicherung durch Haushaltsmittel. Aber wie so oft ist auch hier der erste Blick nicht unbedingt der richtige, denn faktisch kann dieser Topf (wenn überhaupt) nur eine Ergänzungsfinanzierung zu den wegfallenden ABM-Mitteln leisten, also nur versuchen, die schlimmsten Löcher zu stopfen.

Wie sich später am Abend herausstellte, ist das gesamte Ausmaß der ABM-Katastrophe nämlich noch gar nicht abzusehen; am 9. Februar wird eine zentrale Anordnung aus Nürnberg erwartet, die ganz konkrete Vorgaben über die zu fördernden Zielgruppen beinhalten soll. Was aber jetzt schon definitiv feststehe - so Dagmar Lill von der Arbeitsverwaltung - sei eine zehn-bis

zwanzigprozentige Verringerung des Gesamt-ABM-Potentials in Bremen. Ziel des „Auffangtopfs“ könne es also lediglich sein, die nach der Kürzung dann reduzierte Beschäftigtenzahl zu halten. Und dabei werde es sicherlich zu einem enormen Konkurrenz-und Verteilungskampf zwischen den verschiedenen Projekten kommen.

Kein Wunder: sollte es sich nämlich bewahrheiten, daß ABM -Stellen zukünftig in der Regel nur noch zu 70 bis 75 Prozent gefördert werden, dann reicht dieser Topf grob überschlagen für etwa 1500 bis 2000 Stellen im Jahr - noch aber gibt es in Bremen cirka 6000 ABM-Stellen! Das Hauen und Stechen ist also vorprogrammiert, denn auch in der alternativen Szene ist sich jeder selbst der Nächste.

Als mindestens genauso kata

strophal wie diese nackten Zahlen erwies sich am Freitagabend die prinzipielle Haltung der anwesenden Politiker: ob Scherf, Lill oder die stellvertretende SPD -Fraktionsvorsitzende Sabine Uhl - alle rieten den Versammelten davon ab, auf fest im Haushalt verankerten Mitteln zu bestehen. „Die werden in Sparrunden sowieso als erstes gerupft“ (Uhl) lautete ein bestechendes Argument.

Der Zeitpunkt für eine solche „Maximalforderung“ sei jetzt gerade am ungünstigsten, die „erreichbare Hilfe“ (Scherf) dürfe nicht abgelehnt werden. Als das Publikum einwarf, daß der Senat ja auf anderen Gebieten das Geld nur so zum Fenster herausschleudere (Startbahnverlängerung, der Verlust beim Jacobs-Hochhaus, das Museum für zeitgenössische Kunst auf dem Teerhof) - war

sich Scherf nicht zu schade, das Schreckgespenst der Grünen an die Wand zu malen, deren Politik - so sie an der Regierung wären - nur zu noch höheren Arbeitslosenzahlen und Sozialhilfekosten führen würde.

Vorgeführt wurde wieder einmal die kurzsichtige Politik des Löcherstopfens, wenns schon fünf nach zwölf ist. Schlimmer als das ist aber die Mentalität des Sichabfindens („wir sind pleite - was für das Lagerhaus gilt, gilt auch für das Land“) mit der Misere, jene Unfähigkeit, überhaupt noch über den Tellerrand der aktuellen Katastrophe hinauszudenken. Immerhin gestand Scherf ein: „Das Merkt ja jeder, daß ich hier keine besonders guten Argumente habe“ - warum er dann überhaupt noch Politik macht, hat er leider nicht verraten.

JüS

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