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Dem Hass keine Chance-betr.: "Grüner Streit um DVU", taz vom 27.1.89

betr.: „Grüner Streit um DVU“, taz vom 27.1.89

(...) Ich habe in keiner Weise die Gegendemonstrationen eines breiten antifaschistischen Bündnisses in Schwelm gegen die Gründung eines DVU-Landesverbandes in NRW als „blinden Antifaschismus“ bezeichnet. Im Gegenteil, ich habe ausdrücklich diese Demonstration begrüßt.

Allerdings habe ich davor gewarnt, eine punktuell sinnvolle und erfolgreiche Blockadeaktion zu überhöhen in eine Strategie zur physischen Verhinderung von Veranstaltungen und Propaganda neofaschistischer Gruppen; dies ist im Vorfeld der jüngsten Bremer „Aktionskonferenz gegen Neofaschismus und Rassismus“ gefordert worden und wird offensichtlich in der Fraktion von mancher Seite mit einem Ausdruck von Kraftmeiertum („die haben wir aber weggeputzt“, gemeint waren die DVU-Mitglieder) beliebäugelt. Eine solche Strategie würde absehrbar eine Gewaltspirale auslösen bzw. fortsetzen, nämlich die Gegenreaktion gezielt eingesetzter skin-head-Banden und „Saal-Schützern“.

Ich habe mich gegen eine Kritik am Postministerium gewandt, die beim Verbot von Sendungen mit Anti-Atom-, Umweltschutz und Friedenszeichen - mit Recht - Zensur schreit, aber Zensur gegenüber der aktuellen DVU-Postwurfsendung fordert. Diese Sendung hätte rechtlich meines Erachtens nicht verhindert werden können, sondern nur durch PostbeamtInnen, die ihre Arbeit verweigerten und denen dafür unsere Sympathie und Solidarität gilt. Das Skandalöse am Verhalten der Post ist die Ungleichbehandlung von rechten und linken/alternativen Sendungen.

Ich habe eine intelligente gewaltfreie Widerstandsstrategie gegen Rechtsradikalismus und Neofaschismus gefordert. Dazu gehört:

1. daß der Begriff Neofaschismus nicht zum analytisch unscharfen Kampfbegriff verkommt und unterschiedslos für das gesamte rechte und rechtsradikale Spektrum mißbraucht wird. Wer hier nicht differenzieren kann, wird auch kaum erfolgreich intervenieren können. Wer Republikaner pauschal als Neofaschisten klassifiziert, leistet einer Verharmlosung des Faschismus Vorschub, der bekanntlich mehr war als Ausländerfeindlichkeit und Nationalismus.

2. Wer - wie in einem Teil der Linken beliebt - pauschal nach Verboten „neofaschistischer“ Organisationen wie NPD, DVU und Republikanern und nach ihrer Nichtzulassung zu Wahlen ruft, wer - wie im Vorfeld der Bremer Aktionskonferenz - die „Zerschlagung neofaschistischer Organisationen“ und die Verhinderung ihrer Veranstaltungen fordert, wer - wie auf der bitter notwendigen spontanen Protestdemonstration am späten Wahlabend in West-Berlin „Ausländer bleiben - Nazis vertreiben“ skandiert, der trägt damit mehr zur Stabilisierung polizei- und überwachungsstaatlicher sowie gewaltförmiger Denk- und Verhaltensschablonen bei als zu ihrer Überwindung.

3. Antifaschistischer Widerstand muß mit politischen statt mit polizeilichen Mitteln arbeiten. „Dem Haß keine Chance!“: Dieses Motto der in Bremen beschlossenen Kampagne gegen „Neofaschismus und Rassismus“ muß in erster Linie in praktische Solidarität mit Ausländern und Flüchtlingen münden. Eine breite kulturelle Kampagne tut not (zum Beispiel „Rock gegen rechts“, deutsch-türkischer Jugendaustausch). Aber „Dem Haß keine Chance!“ muß auch gegenüber den zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung gelten, die laut Sinus-Studie von 1981 „rechtsextremistische“ Einstellungsmuster haben und für Werbung rechtsradikaler Organisationen besonders anfällig sind. Antifaschistische Arbeit darf dieses Spektrum nicht von vorneherein mit dem Neo-Nazi-Verdikt unseren rechtsradikalen Gegnern überlassen.

Eckhard Stratmann, Bonn

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