: Chinesisch-sowjetischer Gipfel im Mai?
■ Schewardnadse als erster sowjetischer Außenminister seit 1959 zu Besuch in China / Sowjets kündigen Gipfeltreffen für Mai an / Chinesen zurückhaltend: Noch Konsultationen notwendig
Peking (dpa) - Der Besuch des sowjetischen Außenministers Eduard Schewardnadse in China ist mit unterschiedlichen Darstellungen beider Seiten über eine Terminvereinbarung für das geplante chinesisch-sowjetische Gipfeltreffen zu Ende gegangen. Schewardnadse sagte zum Abschluß seiner Gespräche auf einer Pressekonferenz am Samstag in Peking, beide Seiten hätten sich darauf geeinigt, daß der Pekinger Gipfel „Mitte Mai dieses Jahres“ stattfinden werde. Chinas Vizeaußenminister Tian Zengpei hingegen erklärte kurz darauf vor Journalisten, dieser Termin sei nur „ein Vorschlag der sowjetischen Seite“. China wolle mit der sowjetischen Seite „noch über einen genauen Termin beraten“, um einen Zeitpunkt, der für beide Seiten „passend“ sei, festzulegen. Tian sagte ferner, der Besuch Schewardnadses sei nur „ein Schritt in den Vorbereitungen auf den Gipfel“ gewesen, die Vorbereitungen würden andauern.
Gleichwohl gibt es nach dem ersten Besuch eines sowjetischen Außenministers in Peking seit 1959 kaum noch Zweifel daran, daß dieses Treffen im Frühjahr stattfinden wird. Schewardnadse wurde eine offizielle Einladung Pekings für einen China-Besuch des sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow überreicht, die er im Namen Gorbatschows annahm. Damit wird erstmals seit 30 Jahren und dem Bruch beider Seiten wieder der höchste Führer der Sowjetunion nach China kommen.
Gorbatschow wird laut Schewardnadse in Peking auch mit Chinas KP-Chef Zhao Ziyang zusammentreffen. Das Treffen mit Zhao bedeute gleichzeitig die Wiederaufnahme der Beziehungen von Partei zu Partei.
In seiner Wertung des Schewardnadse-Besuchs erinnerte Tian Zengpei an die chinesische Position, daß für eine Normalisierung der Beziehungen mit Moskau „drei Haupthindernisse“ (die sowjetische Invasion in Afghanistan, die sowjetischen Truppenkonzentrationen an Chinas Nordgrenze sowie die Unterstützung Moskaus für die vietnamesische Besetzung Kamputscheas) beseitigt sein müßten. Er sagte, hierbei seien bisher „wesentliche Fortschritte“ erzielt worden, aber nicht, daß diese „Hindernisse“ nun aus dem Weg geräumt seien.
Am größten sind die Differenzen offenkundig über den Kamputschea-Konflikt. Während Schewardnadse vor der Presse die Gemeinsamkeiten herausstrich, betonte Tian auch weiter bestehende Unterschiede in den Positionen Moskaus und Pekings. Er sagte, China hoffe, die Sowjetunion werde „weitere wirksame Anstrengungen unternehmen“, um eine politische Lösung des Kamputschea-Konflikts zu erreichen.
Nach Angaben Schewardnadses wurden bei seinen Unterredungen mit der chinesischen Führung ausführlich Maßnahmen zur militärischen Entspannung an der chinesisch-sowjetischen Grenze erörtert. Schewardnadse kündigte an, die Sowjetunion werde innerhalb der nächsten zwei Jahre im Osten und Süden des Landes 200.000 beziehungsweise 60.000 Soldaten sowie aus der Mongolei Dreiviertel der dort stationierten Truppen abziehen. An der chinesisch-sowjetischen Grenze erhielten die sowjetischen Streitkräfte eine „defensive Ausrichtung“. Auch China baue einseitig Truppen ab. Es sei jedoch notwendig, gemeinsam über eine militärische Entspannung zu verhandeln, da einseitige Schritte ihre Grenzen hätten.
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