: Aufgepaßt! Es geht um Tendenzen!
■ Sechsundzwanzig (junge) amerikanische Künstler zeigen zur Zeit ihre Arbeiten zur „Amerikanischen Kunst der späten 80er Jahre“ in der Kunsthalle und der Gesellschaft für Aktuelle Kunst: „The BiNATIONALE“
A pink elephant, a green kangaroo and two yellow snakes strolled up to the bar. „You're here a little early, boys,“ said the bartender, „He ain't here yet.„.
Das ist ein Witz. Der Witz an diesem Witz ist, daß er Kunst ist. Natürlich nicht so, wie er hier abgedruckt steht, sondern in die Mitte einer 143 x 122 cm großen orangefarbenen Leinwand gedruckt. „Ich wollte nur mit dem Finger auf etwas zeigen und sagen, was es ist. Es ist ein Witz.“ Mehr, so findet Richard Prince, gibt es an seinen Witz-Arbeiten nicht zu interpretieren und nicht zu spekulieren.
Bekanntermaßen sind die Künstler selten diejenigen, die am besten über ihr Werk im Bilde sind oder wie anders ist es zu verstehen, daß auch Richard Prince zu den 26 Künstlern zählt, die von den Kustoden des Institute of Contemporary Art und des Museum of fine Arts in Boston auserwählt wurden, „Amerikanische Kunst der späten 80er Jahre“ in der Bundesrepublik zu vertreten? Unter dem Obertitel „The BiNATIONAL“ wird diese Auswahl seit Sonntag in der Kunsthalle und in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst gezeigt, während eine Gruppe deutscher Künstler ihre Arbeiten an verschiedenen Orten in den USA vorstellen.
Ausstellungen dieser Art sind dazu angetan, große Erwartungen zu wecken. New York gilt nach wie vor als Nabel der Kunstwelt und die meisten, vornehmlich jungen, an dieser Ausstellung beteiligten Künstler leben dort.
Worin also unterscheidet sich die Kunst, die Ende der 80er Jahre in Amerika gemacht wird, von dem, was zeitgleich hierzulande entsteht? Lassen sich bestimmte Tendenzen ausmachen, wenn ja, welche und vor allem - die Kardinalfrage in der Kunst des 20. Jahrhunderts - was ist neu? Der Krampf um das Neue jedenfalls ist es nicht. Was er hervorbringt sind mehr oder weniger kümmerliche Triebe auf einer, wie's scheint, abgekauten Weide, über die eine Herde hungriger Kunstverwerter stapft.
„Ich mache gerne Sachen, die vom Konzept her so lächerlich, so naiv sind, daß nie jemand auf die Idee gekommen wäre, sie zu machen.“ St. Clair Cemins Äußerung scheint stellvertretend für eine ganze Reihe seiner Kollegen zu stehen.
Seine Arbeiten, etwa der hundeartige „Einwegbehälter mit Talkumpuder“ und goldenem Schnörkelgriff, oder „Dünner Sessel“ - eine Mischung aus Schaukelstuhl und Schlitten mit einer Sitzfläche, kaum breiter auf die Kufen, auf denen er steht - sind einem Trend zuzurechnen (aufgepaßt! es geht um Tendenzen), der sich dem Design, man weiß nicht genau, annimmt oder annähert.
Jef Koons gehört zu denjenigen Künstlern dieser Ausstellung, die hier bereits besser bekannt sind. Auch seinen Arbeiten wird gemeinhin eine kritische, gar ironische Brechung der Wa(h)ren-Welt zugeschrieben. Ebenso wie St. Clair Cenin, der das Barock
als Gegengift zur „heute vorherrschenden Romantik“ sieht (die seiner Ansicht nach Nazitum und Kommunismus, sowie schlechte Kunst bis in die 60er Jahre hinein beschert hat), interessieren Koons vorrangig das Barock und das Rokoko. Seine Leistung besteht darin, Ready-mades, nein, industriell hergestellte Güter in Edelstahl abgießen zu lassen, u.a. dem Barock, bzw. Rokoko nachempfundenen Kleinplastik-Kitsch.
„Alle Zeitalter sollten gleichzeitig existieren“, meinen David McDermott und Peter McGough. Kitsch spielt auch in ihren Gemeinschaftsarbeiten eine große Rolle. Dagegen wäre nichts einzuwenden, würden nicht im Huk
kepack-Verfahren zentner schwere Inhalte damit transportiert.
Die Inhalte, Metaphysisches, Spiritualität, Anschauungen zum Göttlichen, Homoerotik, etc. werden dabei in verschiedenen Kunststilen ausgemalt.
Ganz gesellschaftskritisch wird's bei Mike Kelley. Seine Instellation gestaltet den Eingang zu den Ausstellungsräumen der GAK wie ein Festzelt. Ein Bierstand mit entsprechender Dekoration, alles in Grün, Verweis auf den (amerikanisch) -irischen Feiertag, St Patricks Day.
Mit Dreck an die Wand geschmierte Kreise dahinter beziehen sich hingegen auf die IRA, und eine zweite Wand, deren
Farbe sich von irischgrün hin zu orange-, vielleicht auch feuerrot - es darf interpretiert werden - entwickelt, rundet den Schnelldurchgang zum Thema Iren, Irland und andere ab: That's what comes o‘ the minglin‘.
Daß gute Arbeiten in dieser Ausstellung unerwähnt blieben, liegt nicht daran, daß es sie nicht gibt. Die schlechten waren einfach auffälliger. Mag es auch paradox klingen, die BiNATIONALE ist eine Enttäuschung, aber sehr interessant.
S.H.
bis 26.3.1989
Kunsthalle Bremen; Gesellschaft für Aktuelle Kunst, Weserburg, Bremen.
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