: Sisyphus-Protest für Schul-ABM
■ Hemelinger Schulzentrum bald ohne Sozialpädagogen / Eltern: „Unverzichtbare Aufgabe“ Senator: „Keine Regelaufgabe“ / Mutter muß ihr behindertes Kind in der Schule betreuen
Ein dreiviertel Jahr ist es her, da machten sich fast alle SchülerInnen des Schulzentrums Drebberstraße in Hemelingen auf den langen Protestmarsch in die Bremer Innenstadt. Wir wollen „Harry und Edda“ behalten, hieß ihre Parole für zwei ABM-finanzierte Sozialpädagogen. Beim Arbeitsamt und beim Bildungssenator konnten sie zwar nichts Konkretes erfahren, doch ein paar Wochen später hatten sie ihre Lektion gelernt. Wer laut schreit, der wird gehört. „Harry und Edda“ konnten bleiben.
Da Erfolge im Kampf um ABM-Stellen zwangsläufig neue, dann noch größere Probleme nach sich ziehen, kommt jetzt der Lektion zweiter Teil, denn feste Stellen für die insgesamt 42 in Bremen ABM-finanzierten Sozialpädagogen im öffentlichen Dienst sind nicht in Sicht. Sozialpädagogik an allgemeinbildenden Schulen, so Schulsenator Thomas Franke in der vergangenen Woche vor der Bürgerschaft, erfolgt nicht als
Regelaufgabe, sondern ist eine „besondere Maßnahme“.
Schulverein und Elternbeirat Drebberstraße nennen das gleiche eine „unverzichtbare Aufgabe“. Insgesamt vier ABM -bezahlte Sozialpädagogen arbeiten an diesem Schulzentrum mit hohem Ausländeranteil. Im Einzugsbereich leben 10% der Haushalte zumindest zum Teil von Sozialhilfe. 40% der HauptschülerInnen im Bremer Osten verlassen die Schule ohne Abschluß. Eine der SozialarbeiterInnen kümmert sich daher gezielt darum, Kinder mit Lernschwierigkeiten und Verhaltensauffälligkeiten vor einem Abrutschen von der Orientierungsstufe in die Sonderschule zu bewahren. Ihr erstes ABM-Jahr läuft im Mai aus. Eine andere Sozialarbeiterin betreute, ganz im Sinne politisch gewollter Integration, ein schwer körperbehindertes Kind, das die achte Klasse besucht. Seit diese Stelle nicht verlängert wurde, muß die Mutter ihr Kind auch in
der Schule betreuen.
Und das Aus für Harry und Edda, die ein vielbesuchtes Schülercafe organisieren und schwachen SchülerInnen bei den Hausaufgaben helfen, steht bevor. Die zweijährige ABM-Zeit geht dem Ende entgegen. Schulrektor Klaus Schomacker stellt zwar immer eifrig Anträge auf Festeinstellung, „um zu untermauern, daß eine Schule in Hemelingen nicht ohne sozialpädagogische Betreuung der SchülerInnen arbeiten kann“, doch Hoffnung, daß aus den Anträgen Stellen wird, hat auch er nicht.
Die SchülerInnen bereiten sich derweil auf eine neue Runde im Kampf für feste Stellen vor. In drei Wochen wollen sie darüber entscheiden, mit welchen Mitteln er diesmal geführt wird. Unterstützung haben sie wohl auch durch ihre Eltern. „Wir sind nicht gewillt, uns die Sozialpädagogen kampflos nehmen zu lassen“, haben diese der Bildungsdeputation bereits angekündigt.
hbk
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