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Klein-Radio wollte großes schlucken

■ In Hamburg ist in der privaten Radiolandschaft einiges in Bewegung geraten

Vor allem Gewerschafter hatten es von Beginn an befürchtet: Nach der Entwicklung im Zeitungsbereich wird es auch eine Marktkonzentration unter den privaten Hörfunksendern geben. In Hamburg, wo allein vier Privatradios um die HörerInnengunst buhlen, schien sich die Vorhersage zu bestätigen. Aber: anders als gedacht. Denn nicht der Springer-Verlag und Bertelsmann allein teilen den Markt unter sich auf - es bahnte sich eine Kooperation von unten an. Der Versandhaus-Erbe Frank Otto, alleiniger Betreiber und Finanzier des gemeinnützigen Senders „OK Radio“, wollte den in schwere Finanznot geratenen Kommerzsender „Radio 107“ übernehmen.

Von der ursprünglichen 107-Gesellschaft ist nur noch ein kleiner Rest übrig geblieben: Nachdem mit Stadtmagazin -Herausgeber Klaus Heidorn bereits im Dezember ein Gesellschafter ausgestiegen war, warfen Anfang dieses Jahres nun auch zwei Tochterfirmen der Medienkonzerne Holtzbrinck und Bertelsmann das Handtuch, sie zogen ihre Beteiligung zurück. Die damit frei gewordenen Gesellschafteranteile wollte Otto allerdings nicht übernehmen. „OK Radio“ sollte, das beantragte mittlerweile auch die Rest-Gesellschaft von 107 bei der Hamburger Anstalt für Neue Medien (HAM; sie vergibt die Lizenzen und achtet auf die Einhaltung des Rundfunkgesetzes), die betriebliche Abwicklung übernehmen, doch daraus wurde nichts. Die jetzigen Gesellschafter hätten dann nur noch die Rolle von Anbietern übernommen. „Damit stülpen wir das Zwei-Säulen-Modell über einen Kommerzsender“, juxte man noch am Freitag bei „OK Radio“. Doch nachdem der HAM-Vorstand rechtliche Probleme einer solchen Kooperation erkannte, zog Frank Otto sein Angebort vom Samstagabend zurück.

Das Zwei-Säulen-Modell ist eine rundfunkpolitische Erfindung der SPD - konkret von Ex-Bürgermeister Klaus von Dohnanyi. Es gilt für die sogenannten gemeinnützigen Sender, denen zwei der vier Hamburger Frequenzen zugesprochen wurden. Auf den beiden anderen Kanälen senden (sehr erfolgreich) „Radio Hamburg“, hinter dem die Verlage Axel Springer und Gruner + Jahr stehen, und (recht erfolglos) „Radio 107“. Das Modell der gemeinnützigen Radios sieht so aus: Während eine Betreibergesellschaft das Geld für den Sendebetrieb zur Verfügung stellt und die geschäftlichen Angelegenheiten regelt, sorgt die Anbietervereinigung für das Programm und ist verantwortlich für die Personalpolitik.

Unter den Anbietern tummeln sich bei „OK Radio“ etwa der Gewerkschaftsbund und die Allgemeine Ortskrankenkasse, bei „Radio Korah“ (Kommunales Radio in Hamburg) waren dies Ausländerinitiativen, Umweltschutzverbände oder der Landesmusikrat. Korah machte nach nur neunmonatiger Sendezeit im vergangenen Herbst Pleite, ein linker Millionär aus Berlin will mit einer Handvoll von Anbietervereinen ab September wieder auf Sendung gehen. Die strikte Trennung zwischen Programmhoheit und Kapital gilt heute jedoch nicht mehr. Um das Zwei-Säulen-Modell nach der Korah-Pleite zu retten, drückte die HAM ein Auge zu und verhinderte nicht, daß sowohl bei OK als auch bei der Neuauflage von Korah sehr wohl auch die Geldgeber Einfluß nehmen.

Wie sich das auf die Programmgestaltung auswirkt, ist zumindest bei Korah noch unklar. Neu-Sponsor Edgar Stoll, ein erfolgreicher Kaufmann aus Berlin, will am alten Konzept nicht viel ändern. Das heißt vor allem: eine Musikfarbe, die sich von der Pop-Berieselung der anderen Sender unterscheidet. Kriterium für die Musik von Punk bis Klassik soll nicht die aktuelle Plazierung in den Hitparaden, sondern die Qualität der einzelnen Stücke sein. Korah will, glaubt man ersten Ankündigungen, wortlastig bleiben. Themen aus der sogenannten Dritten Welt sollen ebenso ausführlich behandelt werden wie die kleine Politik in den Hamburger Stadtteilen - ein Feld, das die drei anderen Privatsender und auch der NDR brach liegen lassen.

Von Experimenten dieser Art hat „OK Radio“ längt Abstand genommen. Dennoch: In dem recht beliebigen Pop-Brei fällt die aktuelle, akkurate und pointierte Politik -Berichterstattung wohltuend auf.

Bislang reichen weder bei 107 noch bei OK Radio die Werbeeinnahmen aus, um für mehrere Jahre zu planen. Bei 107 spricht man schon offen von einer Liquidierung des Senders. Selbst der Minimaletat von zwei bis drei Millionen Mark, den die beiden Stationen im Jahr verbrauchen, wird bislang nicht annähernd gedeckt.

Finanziell und auch von der Resonanz her kann lediglich „Radio Hamburg“ glänzen. Rund 25 Prozent der Hamburger RadiohörerInnen schalten diesen Sender ein. Sein pfiffigster Service: Der „Abschlepptip“ - nahezu unverzichtbar für AutofahrerInnen, die ihren Wagen in der verkehrsplanerisch hoffnungslos verkorksten Hamburger Innenstadt zwangsläufig im Parkverbot stehen haben. Wer schnell genug ist, fährt sein Auto um die nächste Ecke, bevor die Polizei es auf den Haken nehmen läßt.

Die anderen Privatsender haben es schwer neben „Radio Hamburg“. Hinzu kommt, daß mit „Radio Schleswig-Holstein“ und dem niedersächsischen „AFN“ noch weitere populäre Sender in die Hansestadt strahlen. Und: Sowohl in Kiel als auch in Hannover bahnt sich die Vergabe der nächsten landesweiten Frequenzen an, der NDR eröffnet demnächst zudem ein viertes Programm. Es wird eng im Himmel über Hamburg.

Axel Kintzinger

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