: Traumwetter, Traumpiste, Traumtag
■ Die Schweizerin Maria Walliser verteidigt in Vail/Colorado ihren Weltmeistertitel im Abfahrtslauf
Berlin (taz) - Die Kältewelle in den USA, die mittlerweile bis nach Texas vorgedrungen ist, hat auch die Rocky Mountains und damit den Veranstaltungsort der Alpinen Ski -Weltmeister, Vail in Colorado, überrollt. Zwanzig bis dreißig Grad minus ließen den schnellsten Skifahrerinnen der Welt schier den Atem gefrieren, als sie zum Abfahrtslauf starteten. 26 Schneewalzen hatten zuvor den Meter Neuschnee, der in den zwei Tagen zuvor gefallen war, platt gequetscht und für eine optimale Piste gesorgt.
„Traumwetter, Traumpiste, Traumtag“, urteilte Karin Dedler kurz und bündig. Die 26jährige Bäckerstochter aus Dietmannsried hatte allen Grund zu Superlativen. Neun Jahre lang war sie recht unscheinbar im Weltcup-Zirkus mitgefahren, und nun hatte sie plötzlich die Bronzemedaille gewonnen und die Silbermedaille auf der 2.591 Meter langen Strecke nur um eine Hundertstelsekunde verpaßt. „Das ist für mich selbst die größte Sensation“, wunderte sie sich im Zielraum und auch die Siegerin Maria Walliser war erstaunt: „Karin, was machst Du denn für Sachen.“
Ansonsten schlug die 25jährige Schweizerin in dieselbe Kerbe wie Karin Dedler. „Ich hatte einen Traumlauf“, analysierte sie, „ich wußte heute nach dem Neuschnee, das ist mein Tag.“ Er war es ohne Zweifel. Eineinhalb Sekunden hatte sie die Zweitplazierte, die Kanadierin Karen Percy, auf ihrem Weg zum Gold hinter sich gelassen; das entspricht einer Strecke von 35,98 Metern. Entscheidend für diese Überlegenheit war vor allem das Material, wie Maria Walliser ohne weiteres zugab. Der Belag und das „absolut neue Wachs“ hätten den Traumlauf möglich gemacht.
Schon vorher hatte Altmeister Karl Schranz vorhergesagt, daß „gute Hocke, gutes Kurvenfahren und ein schneller Ski“ entscheiden würden. Kein Problem für die routinierte Maria Walliser, die schon vor zwei Jahren bei der WM in Crans Montana allen davongefahren war. Bereits auf dem oberen Gleitstück hatte sie mit ihren optimal präparierten Brettern eine sichere Führung herausgefahren, die sie unten auf dem technisch anspruchsvolleren Teil mit seinen spektakulären Sprüngen und Kurven ausbaute.
„Ich wollte keine Autobahn“, hatte Pistenchefin Cindy Nelson, WM-Zweite von 1982, gesagt, den gefährlichsten Sprung, der die Läuferinnen fünf Meter hoch und dreißig Meter weit katapultierte, hatte sie dennoch abtragen lassen müssen, nachdem im Training die Schweizerin Beatrice Gafner an dieser Stelle getürzt war und sich das Knie zertrümmert hatte.
Enttäuschend verlief die Abfahrt vor allem für die Medaillenfavoritinnen aus der Bundesrepublik, Michaela Gerg und Regine Mösenlechner, wobei es letztere besonders bitter traf. Sie hatte in Vail eigentlich groß rauskommen wollen, ihr Manager träumte bereits ausgiebig von Werbe- und Fernsehverträgen in den USA. Der 19. Platz machte solchen Ambitionen erstmal ein Ende, es bleibt die Hoffnung auf einen „Traumtag“ bei den folgenden Rennen.
Michaela Gerg aus Lenggries belegte immerhin einen respektablen 6. Rang, ärgerte sich aber trotzdem gehörig, da sie nur durch einen Konzentrationsfehler im 35 Grad abfallenden Zielhang eine Medaille verpaßt hatte. Da konnte auch die Kassette ihres Psychologen, die ihr jeden Abend vor dem Einschlafen per Walkman den Satz „Ich bin die Beste“ einflüstert, nicht mehr helfen.
Matti
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