piwik no script img

The best bad guy, Hollywood ever had

■ Eine Peter Lorre Retrospektive des Kommunalkino Bremen läuft ab heute bis in den März hinein und beginnt mit Capras „Arsen und Spitzenhäubchen / Der Schurke vom Dienst

Der breite Rücken, die großen Augen, die ängstlich nach hinten blicken, das mit Kreide aufgemalte M auf dem schwarzen Mantel: diese Einstellung aus „M“ von Fritz Lang (am 22. und 23. 3. in einer neu rekonstruierten Fassung im KoKi-Programm) steht mir immer als erstes vor Augen, wenn ich den Namen Peter Lorre höre. Der kindliche perverse Kindermörder war Lorres erste Rolle, und seine ganze Karriere geht von dieser ersten Typisierung aus. Im gleichen Jahr wie „M“ konnte er in Deutschland noch in einer Kleinstadtkomödie als harmloser Lokalredakteur besetzt werden („Die Koffer des Herrn O.F.“ am 2.3.), aber dann „setzte er sich zwar in Hollywood als Schauspieler durch, mußte aber immer den Schurken vom Dienst spielen“, meinte Lotte H. Eisner. Aber was für einen herrlichen Buhmann hat Lorre da portraitiert. Zuerst holte ihn 1934 Hitchcock nach England für „The Man Who Knew Too Much“ (8 und 9.3.), seine erste Hollywoodrolle war dann ein „Mad Scientist“ in „Mad Love“ (13/14.3..) In den acht einstündigen Filmen der Mr. Moto Serie gab es Lorre dann einmal als Hüter des Gesetzes: ausgerechnet als japanischer Detektiv, nicht unbedingt so ganz

glaubwürdig, aber sehr unterhaltsam und exotisch.

Chaplin pries ihn als „den größten lebenden Schauspieler“, sein Freund Bert Brecht wollte ihn als Schwejk auf die Bühne bringen - das wäre ein interessanter, ganz anderer Lorre geworden, aber Hollywood packte ihn weiter in Charakterrollen. Otto Friedrich beschrieb ihn als „pfiffigen und kultivierten Emigranten aus Berlin, der zum Musterbild des Abscheulich-Perversen geworden war, und der Gestalt des Joel Cairo kriecherische Bosheit verlieh“. Das war im „Malteserfalken“, und auch in „Casablanca“ spielte Lorre den Gauner Ugarte wunderschön passend an der Seite seines Freundes Humphrey Bogart. Beide Filme werden diesmal nicht gezeigt, „weil sie nun wirklich jeder schon gesehen hat“.

1949 ging Lorre zurück nach Deutschland und drehte mit „Der Verlorene“ (22/23.2. und 27/28.2.) seine einzige eigene Regiearbeit. Der Trümmerfilm über einen von Lorre selbst gespielten Arzt und Frauenmörder ist wie eine Aufarbeitung von „M“. In der Mitte des Films gibt es eine Einstellung von Lorres Rücken mit dem Blick nach hinten, bei der man unwillkürlich

nach Kreidezeichen auf dem Mantel sucht. Auch die Konsequenz der Geschichte kommentiert Langs Film: dort suchte eine Stadt einen Mörder, hier schützen die Nazis den Triebtäter, der ihnen nützlich sein kann. Der „beachtliche und ehrliche Film wurde in Deutschland so kalt aufgenommen, daß Lorre enttäuscht nach Amerika zurückging, und sich vollends zu Tode soff“, meinte Lotte Eisner.

Vorher spielte Lorre aber noch in zahlreichen Horrorkomödien Eigenparodien. Aus dieser Periode wird die „Komödie des Grauens“ gezeigt (1.3.), der Fernsehfilm „The Blue Landscape“ (im Vorprogramm am 13/14.3.) und Roger Cormans „Der Rabe“ (13/14.2. und 18.2.), eine Bearbeitung des Gedichtes von Poe, die den Verfasser sicher vor Entsetzen erbleichen lassen hätte. Mit der ersten und besten Parodie Lorres auf seine eigenen Figuren beginnt die Filmreihe heute und morgen abend: In Frank Capras „Arsen und Spitzenhäuptchen“ findet er zudem auch seine Meister in den beiden netten alten Damen, die einsamen Opas Gift in den Tee mischen. Die sind als Massenmörder noch viel durchgeknallter als Lorre in seinen besten Rollen.

Wilfried Hippen

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen