: „Zwangsteilzeit“ an Bremer Schulen
■ Wer an Bremer Schulen eine Stelle antreten will, wird zur Teilzeitarbeit gezwungen / Personalrat stimmt deshalb gegen 33 neue LehrerInnen-Stellen / Streik der Bremer LehrerInnen im Februar in Aussicht
An Begriffe wie „Zwangs-Ein weisung“, „Zwangs-Verpflichtung“ und „Zwangs-Sterilisation“ hat sich die politische Öffentlichkeit in den letzten Jahren gewöhnt. Gestern führte der „Personalrat Schulen“ einen neuen Zwangs-Begriff in die Debatte ein: Die „Zwangs -Teilzeit“.
Denn seit 1983 werden BewerberInnen an Bremer Schulen entweder gar nicht mehr eingestellt, oder aber zur „Teilzeit“ gezwungen. Wer etwa als ausgelernte Referendarin eine der wenigen Stellen im „Einstellungskorridor“ ergattert, muß sich darauf einlassen, für 1.400 Mark netto „zwangsteilzeit“ in der Schule zu arbeiten.
Noch schlechter ergeht es den Raumpflegerinnen. Für maximal 20 Wochen-Stunden „Zwangsteilzeit“ bekommen sie pro Monat maximal 1.000 Mark brutto. Dazu die Personalräte: „Das ist eine Zumutung. Von dem Geld kann man nicht leben. Und die KollegInnen und Kollegen klagen, daß sie wegen der Personalnot mehr als die vereinbarte Teilzeit arbeiten müssen.“
Unter „Zwangsteilzeit“ fassen die Personalräte folgende Beschäftigte: 100 LehrerInnen, die sich in der Stadt Bremen mit befristeten Arbeitsverträgen über eine reduzierte Stundenzahl begnügen. 200 LehrerInnen, die zwar mit unbefristeten Arbeitsverträ
gen gesegnet sind, aber sich von vornherein mit einer reduzierten Stundenzahl zufrieden geben mußten. Mehr als 100 Reinigungskräfte und ebensoviele Schulsekretärinnen, die ebenfalls nur noch auf der Basis von „Zwangsteilzeit“ eine Anstellung fanden. Personalrats-Vorsitzender Pit Spiess: „Jedes vierte neue Arbeitsverhältnis beruht in allen Bundesländern auf Zwangsteilzeit. Aber Bremen ist das einzige Bundesland, das den KollegInnen nicht den Zeitpunkt nennt, an dem sie schließlich eine unbefristete, volle Anstellung kriegen.“
Der „Personalrat Schulen“ will es jetzt auf einen Konflikt ankommen lassen: Den 33,25 neuen LehrerInnen-Stellen, die bis zum 1.3.89 mit bis zu 60 KollegInnen besetzt werden sollen, haben die Personalräte nicht zugestimmt. Der Personalrat fordert stattdessen: „Erstens volle, unbefristete Arbeitsverhältnisse für alle Neu-Eingestellten und zweitens eine Übergangsregelung, die Zwangsteilzeit -Beschäftigte in Voll-Zeit-KollegInnen überführt.“ Die Personalräte haben auch ein Beispiel vor Augen, das ihnen gezeigt hat, daß „Zwangsteilzeit“ kein unabänderliches Schicksal ist. Denn ausgerechnet drei 1988 eingestellte „Professoren-Gattinnen“ dürfen „Vollzeit“ und „unbefristet“ unterrichten. Ihren professoralen Ehemännern war die Be
rufung nach Bremen mit dem Argument schmackhaft gemacht worden, daß ihre Ehefrauen mit regulären Stellen an Bremens Schulen rechnen könnten.
Um mit ihrer Politik gegen „Zwangs-Teilzeit“ nicht in Konflikt mit den hunderten stellensuchenden LehrerInnen zu geraten,
ruft die GEW (Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft) für den 15.2. zu einer Versammlung der 2.500 erwerblosen Bremer PädagogInnen auf.
Die Vorzüge eines Regelarbeitsverhältnisses mit der Möglichkeit, sich beurlauben zu lassen, „freiwillig auf Teilzeit zu
gehen“, wissen die Personalräte dabei sehr wohl zu schätzen. Als politische Strategie setzen sie jedoch auf die allgemeine Arbeitszeitverkürzung. Sie fordern: „1 Stunde weniger Unterrichtsverpflichtung für alle Lehrkräfte und dafür 200 Neu-Einstellungen.“ Falls ihnen der Bürgermeister
nicht entgegenkommt, wollen sie am 23. Februar einen eintägigen Streik organisieren. Die Bremer PersonalrätInnen orientieren sich dabei an ihren Hamburger KollegInnen, die sich schon im Herbst per Streik ein Umdenken ihres Senats ertrotzt hatten.
Barbara Debus
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