piwik no script img

SPD/AL-Streit um Wirtschaft wird schärfer

■ Heftige Kritik am wirtschaftspolitischen Vorstoß des AL-Abgeordneten Köppl / CDU, SPD und Industrie fürchten um das Klima für die Wirtschaft

Das rot-grüne Chaos kriegt endlich Farbe. Der „Niedergang Berlins“ sei nahe, sollten die wirtschaftspolitischen Vorstellungen des AL-Abgeordneten Köppl verwirklicht werden, prophezeite gestern CDU-Generalsekretär Landowsky. Die AL -Vorschläge zur Reform der Berlinförderung, die Köppl am Dienstag verkündet hatte, lösten scharfe Reaktionen aus. Kritik an dem Vorstoß des Abgeordneten rührte sich auch in der eigenen Partei, die um das Verhandlungsklima mit der SPD fürchten muß. Köppl hatte, wie berichtet, eine Pauschalisierung der Berlin-Zulage gefordert. Statt einer achtprozentigen Zulage zum Bruttogehalt will die AL einen einheitlichen Pauschalbetrag gewähren. In den Gesprächen mit der SPD hatte Köppl außerdem die AL-Forderung angesprochen, die anderen Vergünstigungen der Berlinförderung nicht mehr automatisch, sondern nur noch auf Antrag zu gewähren.

Die AL-Vorstellungen trügen schon heute „Verunsicherung“ in die Stadt, wetterte Landowsky. Diepgen entnahm Köppls Äußerungen die Lehre, „wie gefährlich“ eine SPD/AL-Koalition wäre. Auch IHK-Sprecher Steinke erinnerte auf Anfrage an das Unternehmerbedürfnis nach „Verläßlichkeit“. Die Kammer will sich sonst „eigentlich“ nicht öffentlich in die laufenden Verhandlungen einmischen. Eine Diskussion über die Berlinförderung „muß Unternehmer verunsichern“, kritisierte auch IG-Metall-Chef Wagner. Ansiedlungs- und Erweiterungspläne von Unternehmen könnten gefährdet werden, fürchtet der Gewerkschafter.

„Taktisch absolut daneben“ sei Köppls öffentlicher Vorstoß gewesen, urteilte auch Wolfgang Tietze, AL-Umweltpolitiker, der mögliche Erfolge auf anderen Feldern nicht aufs Spiel setzen möchte. „Vielleicht wäre es klüger gewesen, das nicht anzusprechen“, urteilte ein Abgeordneter der AL, der namentlich nicht genannt werden wollte.

Wagner wies für die SPD darauf hin, daß man erst „Mehrheiten in Bonn finden“ müßte, um die Berlinförderung zu reformieren. „Grundsätzlich diskussionsfähig“ findet die SPD den Gedanken, in Teilbereichen von Anspruchs- auf Antragsförderung überzugehen. Zu einer derartigen Überprüfung sind die Sozialdemokraten aber erst in vier Jahren, zum Ende der neuen Wahlperiode, bereit. Immerhin sei die Berlinförderung eben erst um 800 Millionen Mark gekürzt worden. „Kein Verständnis“ hat Wagner für die Idee, „ausgerechnet eine rot-grüne Koalition“ sollte an der Berlin -Zulage rühren.

In einer Diskussionsveranstaltung am Dienstag abend sah auch der AL-Abgeordnete und Wirtschaftsexperte Seiler wenig Spielraum für eine neue rot-grüne Wirtschaftspolitik. Neben ökologischen Sanierungsprogrammen wollte Seiler nicht viel mehr versprechen als zusätzliche ABM-Stellen und eine Fortführung der Qualifizierungsoffensive von CDU -Wirtschaftssenator Pieroth. Das AL-Programm, das auch die Reform der Berlinförderung verlangt, sei aus der Opposition heraus geschrieben worden, nicht fürs Regieren, meinte Seiler.

hmt

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen