: Tortur - 24 Stunden lang
Wir dokumentieren Auszüge aus Berichten über die Haftbedingungen von mehreren politischen Gefangenen in verschiedenen Justizvollzugsanstalten ■ D O K U M E N T A T I O N
Die Zelle hat sieben Quadratmeter
„Meine Haftbedingungen sind seit der ersten Minute der Verhaftung 24 Stunden Isolation. Meine spezielle Sicherheitszelle (Fliegendraht vorm Gitterfenster, zusätzlich gesicherte Stahltür) verlasse ich pro Tag für eine knappe Stunde zum Hofgang. Die Zelle ist circa sieben Quadratmeter groß, und man benötigt den ganzen Tag über die Neonbeleuchtung. Die Zelle liegt auf einer abgetrennten Galerie, wo sich weitere fünf Zellen befinden. Nach einer gerade erfolgten Verlegung befindet sich nur noch ein weiterer politischer Gefangener in dieser Abteilung. Ich habe ihn noch nie gesehen. Neben mir ist jeweils mindestens eine Leerzelle.
Da bei geöffneter Tür während der Essensausgabe der Blick auf eine obere und zwei untere Galerien frei wird, die scheinbar normal belegt sind, findet die Essensausgabe getrennt und jeweils einzeln statt. Der relativ übersichtliche Bereich wird ständig von mindestens vier Sicherheitsbeamten überwacht. Sobald meine Zellentür geöffnet wird, befinden sich immer zwei Schließer in unmittelbarer Nähe, von denen einer vor und einer hinter mir geht, wenn ich zum Duschen oder in den Hof komme.
Der Hofgang findet einzeln unter Bewachung von zwei Sicherheitsbeamten in ständig wechselnden Höfen und zu ständig wechselnden Uhrzeiten statt. Als inzwischen häufigster Ort hat sich eine Hofecke von zehn mal zehn Metern herausgestellt, die es mir unmöglich macht, mein Lauftraining durchzuführen. Dies ist offensichtlich eine Maßnahme, die verhindern soll, daß der andere Gefangene mich im eigentlichen Isolationshof sehen kann; von seiner Zelle ist aus 150 bis 200 Meter Entfernung ein zwei Meter breiter Streifen einzusehen. Der Hofgang ist der Moment der häufigsten Provokationen, da innerhalb der Stunde dort eine große Anzahl von Gefangenen durchgeführt werden oder auf ihren Einkauf warten - jedes Ansprechen, jeder Gruß ist mir verboten und führt zu zusätzlicher Verschärfung meiner Haftbedingungen: Abbruch des Hofgangs, Einkaufssperre, Verschleppung in eine Bunkerzelle. Meine Zelle wird unregelmäßig gewechselt und häufig, während ich auf dem Hof bin, durchsucht; zeitweise geschieht das täglich, manchmal mehrmals am Tag.“ (Aus einem Bericht aus der Vollzugsanstalt
Bochum, Nordrhein- Westfalen
Strikte Briefzensur
„Die ersten Monate sind fast alle Briefe, die ich geschrieben habe, beschlagnahmt worden, egal an wen und auch vom Inhalt her ganz unterschiedlich. Es war praktisch so: Du kannst nichts schreiben, außer Grüße und wie das Wetter ist. Das hat sich dann nach drei Monaten geändert, obwohl sich der Inhalt meiner Briefe ja nicht geändert hat. Das wird bewußt in den ersten Monaten so gemacht, zusätzlich zur Isolation im Knast auch die Isolation nach außen. Gerade in der ersten Zeit, wo man für sich rausfinden muß, wie die politische Auseinandersetzung trotz der Isolation weitergehen kann, ist dann erstmal praktisch nichts. Das ist der Zweck davon, daß kaum Briefe durchgehen.„(Bericht aus der Vollzugs-
anstalt Bielefeld, Nordrhein-Westfalen
Unberechenbare Situation
„Einzelheiten aus dem 24-Stunden-Haftstatut: Anwaltsbesuche mit Trennscheibe, Besuche von Freunden mit Trennscheibe und zwei Bullen Überwachung, Besuche von Angehörigen ohne Trennscheibe und auch mit zwei Bullen dabei. Kein Schritt außerhalb der Zelle ohne mindestens zwei Bullen Bewachung. Tägliche kurze Sicherheitskontrolle der Zelle, zweimal wöchentlich genaue Durchsuchung der Zelle und aller Gegenstände und schriftlichen Sachen. Zensur der Post, Zeitungen und Bücher. Mal wird weniger, mal viel angehalten, um eine unberechenbare Situation zu schaffen. Vor und nach jedem Angehörigenbesuch Nacktkontrolle und Kleiderwechsel, während der zwei wöchentlichen Zellendurchsuchungen Nacktkontrolle und Kleiderwechsel, genauso vor und nach jedem Hofgang und vor und nach jedem Gang außerhalb vom siebten Stock, wo die Zelle ist (zum Beispiel Arzt, Prozeßtage usw.).
Im Männer- und Frauenflügel sind jeweils mehrere besondere Sicherheitszellen. Die politischen Gefangenen werden etwa alle sechs Wochen in eine andere dieser Zellen verlegt. Die Wände sind so gebaut: Beton, dann eine Lage Stahl, dann der Putz. Die Gitter an den Fenstern von innen nach außen: erst ein enges Gitter, durch das ein Bleistift paßt, dann ein zweifaches massives Gitter, dann Fliegengitter. In der Zelle kein Strom und der Lichtschalter ist außerhalb, kann nur von den Schließern geschaltet werden. Die Tür hat doppelte Schlösser. Sie kann nur von zwei Schließern gleichzeitig geöffnet werden. In den Türen abgedeckte Panzerglasscheiben zur Beobachtung von außen.„(Bericht aus dem
Hochsicherheitstrak
Stammheim
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen