: Griechenland: Pasok steigt unaufhaltsam ab
Ermittlungsverfahren gegen einen Mitarbeiter des griechischen Ministerpräsidenten Papandreou wegen Bestechung / Mitglieder der Regierungspartei Pasok sprechen von „Verschwörung“ / Vorwurf an konservative Opposition: Operation mit „gekauften Zeugen“ ■ Von Nils Kadritzke
Berlin (taz) - Ein „Pampers„-Karton ist zum heißesten Thema der griechischen Politszene avanciert, die bis zum Wahltermin am 18.Juni von Fragen der politischen Hygiene beherrscht sein wird. Vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß, der die Wahrheit über den seit Oktober anhängigen „Koskotas-Skandal“ ausbrüten soll, wiederholten am Montag zwei ehemalige Leibwächter des von der Regierungspartei Pasok protegierten Großbetrügers ihre Aussage, die sie bereits vor dem Staatsanwalt gemacht hatten: In besagtem Karton hätten sie einem Mitarbeiter von Ministerpräsident Papandreou namens Louvaris im August 1988 nicht etwa Babywindeln, sondern 5.000-Drachmen-Bündel ausgehändigt - mit schönen Grüßen von Koskotas.
Gegen Louvaris wurde ein Ermittlungsverfahren eröffnet. Damit sind erstmals juristische Schritte gegen eine Person eingeleitet, die zu Papandreous engster Umgebung gehört. Für diesen ist die Entwicklung doppelt bedrohlich, weil der Name Louvaris bereits im Zusammenhang mit „Vermittlungsgeldern“ aufgetaucht ist, die bei griechischen Rüstungseinkäufen in private oder Parteitaschen geflossen sein sollen.
Würde sich die „Pampers„-Transaktion noch vor den Wahlen beweisen lassen, wäre das für die Pasok ein tödlicher Schlag. Hart schlägt sie zurück und unterstellt der konservativen Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND), mit „gekauften Zeugen“ zu operieren. Für beide Parteien steht im Juni so viel auf dem Spiel, daß man ihnen die riskantesten Manöver zutrauen kann.
Mehr Grund zur Nervosität hat immer noch die Pasok. Statt den unbestreitbaren Skandal mit einer Säuberung der eigenen Reihen zu beantworten, versucht sie ihn als „Verschwörung“ in- und ausländischer Mächte hinzustellen. Papandreous Propagandachef Maroudas verbreitet die Erkenntnis, daß es sich um einen großangelegten „Destabilisierungsplan“ gegen die letzten Bastionen des europäischen Sozialismus handele. In solch absurden Sprüchen enthüllt sich die Logik der Strategie, mit der die Pasok das drohende Wahldesaster abwenden will. Ihre Adressaten sind die politischen Analphabeten des Landes, die sich mit Verschwörungstheorien und Papandreou-Sprüchen („Mein Lebensquell ist die Liebe des Volkes“) abspeisen lassen. Diese Strategie ist realistisch, weil die griechische Provinz für die Pasok die letzte Hoffnung verkörpert.
Alle Umfragen der letzten Wochen signalisieren der Regierungspartei in den Stadtregionen eklatante Stimmenverluste, die sich in der Provinz offenbar in engen Grenzen halten. Der Verdacht liegt nahe, daß die angekündigte Wahlgesetzänderung das Stimmengewicht der ländlichen Regionen noch manipulativ aufwerten soll. Die Pasok wird daher die Verabschiedung des Wahlgesetzes bis zuletzt aufschieben, um die Stimmungstrends noch möglichst lange beobachten zu können.
Dieser Aufschub hat einen weiteren triftigen Grund: die Angst vor Karamanlis. Die Umfragen lassen keinen Zweifel daran, daß die Pasok gegen die ND chancenlos wäre, wenn an deren Spitze der weithin respektierte „Staatsmann“ zurückkehren würde, der die griechische Politik vor und nach der Junta-Periode dominiert hat. Karamanlis wird aber über sein Comeback erst entscheiden, wenn das neue Wahlsystem feststeht. Sein Auftreten würde die Szene schlagartig verändern: Er würde nicht nur den Wahlkampf zugunsten der ND „entpolarisieren“, sondern auch die eigene Partei von ihrem größten Handicap befreien: dem Vorsitzenden Mitsotakis, der von der Hälfte der ND-Anhänger als Unglück empfunden wird, weil er zu rhetorischen Fehltritten neigt, deren politischen Schaden er selbst hinterher kaum zu erfassen vermag.
Ob mit oder ohne Karamanlis - für die dritte Kraft der griechischen Politik bedeutet ein Wahlkampf im Zeichen „Pampers“ in jedem Fall eine schwierige Konstellation. Die „Vereinigte Linke“, das Wahlbündnis von orthodoxen Kommunisten (KKE) und eurokommunistischer „Griechischer Linker“ (EAR), kann zwar mit begrenztem Zulauf von ehemaligen Pasok-Anhängern rechnen, die ihren Glauben an die Unbeflecktheit der Papandreou-Bewegung verloren haben. Aber die Hoffnung, zweitstärkste Partei zu werden, hat sie angesichts der polarisierten politischen Atmosphäre bereits abgeschrieben. Sie wird froh sein, wenn sie die 20-Prozent -Grenze durchbrechen kann; wobei ihr zentrales Dilemma in der Frage steckt, wie sie nach dem 18.Juni mit ihrem Wählermandat umgeht. Erzielt nämlich die ND keine absolute Mehrheit - was die Regierung mit ihrem Wahlgesetz verhindern wird -, könnte die geschwächte Pasok in einer Koalition mit der Linken die einzige Möglichkeit sehen, sich an der Macht zu behaupten. Und die von enttäuschten Pasok-Wählern gestärkte Linke würde sich womöglich im Regierungslager wiederfinden - Seite an Seite mit der Koskotas-Partei.
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