: „Verteidigungsausschuß belogen“
Walter Kolbow ist stellvertretender Vorsitzender des Verteidigungsausschusses ■ I N T E R V I E W
taz: Kann der Atomwaffensperrvertrag verhindern, daß deutsche Firmen an atomwaffenfähigen Raketen arbeiten, wie es das Verteidigungsministerium behauptet?
Walter Kolbow: Was die beteiligten Unternehmen machen, wissen wir nicht. Der Verteidigungsausschuß ist in dieser Frage regelrecht belogen worden. Die SPD-Anfragen zum Stichwort „Technex“ sind nie dahingehend beantwortet worden, daß hier das Projekt KOLAS dahintersteckt. Die Unternehmen können sich natürlich trotz Atomwaffensperrvertrag an einer Studie über eine Nuklearrakete bis 500 Kilometer beteiligen. Technisch gesehen gibt es keine unüberwindlichen Schwierigkeiten, eine konventionelle Rakete auf Nuklaerköpfe umzurüsten. Man muß jetzt genau prüfen, ob da nicht etwas nebenbei gemacht worden ist und auch in andere Richtungen gedacht und gearbeitet wurde. Offenbar werden unter dem Stichwort der Modernisierung eine ganze Menge an Überlegungen für Nachfolge- und Umgehungsprojekte angestellt, die auch Offensivfähigkeiten besitzen. Wir müssen Klarheit reinbekommen, was dort unter der Decke geschieht. Es geht offensichtlich nicht nur um die Modernisierung von 88 Lance-Kurzstreckenraketen, sondern um die Bestückung der Bundeswehr mit Raketen - vorerst konventionell - unterhalb der INF-Schwelle. Das ist ein Unterlaufen dieses Vertrags.
Die Raketen sollen nach Darstellung des Verteidigungsministeriums anstelle von Kampfflugzeugen feindliche Flugplätze angreifen. Soll das der Preis für den Verzicht der Tiefflugübungen sein?
Da ist ein Zusammenhang da. Wir haben ja verlangt, daß ein Luftverteidigungskonzept entwickelt wird, mit dem auf Tiefflüge verzichtet werden kann. Aber in ein solches Konzept kann man natürlich nichts einbringen, was den Abrüstungs- und Rüstungskontrollbemühungen entgegensteht. Ein solches Konzept muß darauf Rücksicht nehmen. Die Luftverteidigung muß defensiv organisierbar sein, dann braucht sie keine solche Reichweiten. Es ist kontraproduktiv, die Tiefflüge wegen dem Druck der Bevölkerung wegzunehmen und dafür eine neue, offensivfähige Rakete zu konstruieren.
Interview: Gerd Nowakowski
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