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„Von uns erfahr'n Se nüscht“

■ In der kleinen Tiergartener Salzwedeler Straße hortete eine 67jährige Rentnerin kiloweise Rauschgift / Anwohner entsetzt: „Wohnte die vielleicht bei uns im Haus?“

Der etwa 75jährige Herr mit dem silbergrauen Haar, der in der einzigen Kneipe der Salzwedeler Straße gerade seinen Frühschoppen leert, kennt sie nur vom Sehen. „Sah gut aus, die Frau.“ Dem Wirt ist sie unbekannt. Als er am Montag abend die Tür seiner Gaststätte schließen wollte, fiel ihm nur „die janze Polizei“ auf, die schräg gegenüber in der kleinen Straße geparkt hatte. So etwas gab's bisher noch nie in der kleinen Salzwedeler Straße, die nur 17 Hausnummern zählt. Der Grund für das Durchsuchungs- und Verhaftungskommando der Kripo: In der Wohnung einer 67jährigen Anwohnerin fanden sich anderthalb Kilo Heroin, 955 Gramm Kokain und 125 Gramm Haschisch. Das traute Heim der Rentnerin diente zwei jungen Männern offenbar als Zwischenlager.

„Na ja, hatse wohl'n paar Mark nebenbei verdient“, meint der Wirt lakonisch und schaut dem Elektromonteur, der gerade die Geldspielautomaten wartet, interessiert auf die Finger. „Mit den Lottoquoten wird das auch immer beschissner!“ schimpft ein Gast, „für'n Vierer hamse mir jetzt bloß 17 Mark jegeben.“ „Det kannste ja gleich zurückschicken an die Scheiß-Lotto-Jesellschaft!“ pflichtet ihm der Kneipier bei.

Herr Bunge, exilierter Sachse und Hauswart für die Blöcke vierzehn und fuffzehn, traut seinen Ohren nicht. „Eine von unsren Omas? Nu, das‘ doch ganich meeglich!“ Möglich wäre das schon: In den mehrstöckigen Betonburgen leben fast ausschließlich ältere Menschen.

„Nu machense uns nich schwach!“ meint die Frau des etwa 60jährigen Hauswarts mit ängstlicher Stimme; zu spät; Herr Bunge rechnet schon nach: „Also, die Biermann kann's nich gewesen sein, die hab ich heut morgen noch gesehen. Und die Schmidt; also nee werglich nich.“ War's vielleicht die X oder die Y? Herrn Bunge hält's nicht mehr im Sessel. „Kommse ma mit!“

„Du, Häschen!“ winkt er eine ältere Dame heran, um sie dann flüstend zu fragen: „Kennst Du hier eine, die was mit Drogen hatte und nu verhaftet is?“ Häschen weiß von nichts. In der etwas volleren Kneipe ist schließlich zu erfahren, daß das Haus Nummer fünf in Frage kommt.

Haus Nummer fünf ist zwar die richtige Adresse, - doch die Bewohner haben offenbar eisernes Schweigen vereinbart. „Ihre Kollegen vonne Illustrierten waren auch schon da, und von uns erfahr'n se nüscht!“ donnert eine etwa 25jährige Hausfrau vom Balkon herunter, „da wolln wir ganix mit zu tun haben.“ Bevor die Festung mit Blumentöpfen verteidigt wird, trete ich den taktischen Rückzug an. Herr Bunge aber geht erleichtert nach Hause, wo schon das Mittagessen dampft, und meint: „Unsre Omas? Pah! Ich kenn‘ doch meine Pappenheimer!“

ccm

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