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N.S.: Nur ein Glied einer Kette

■ Die „Nationale Sammlung“ war eine reine Nachfolgeorganisation der ANS/NA

Die jetzt verbotene neofaschistische „Nationale Sammlung“ ist insgesamt die vierte politische Vereinigung, die Innenminister Zimmermann in den letzten Jahren verbieten ließ, weil sie sich - so die offizielle Begründung - „gegen die verfassungsgemäße Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richtet“. Eine dieser vier Organisationen war der direkte Vorläufer der „Nationalen Sammlung“, die „Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationaler Aktivisten“ (ANS/NA) des Neonazis Michael Kühnen.

Die Kühnen-Truppe wurde 1983 als verfassungswidrig verboten, Kühnen selber in Frankfurt wegen seiner faschistischen Propaganda zu drei Jahren Haft verurteilt. Aus dem Knast heraus suchte Kühnen seine Mannen vor allem in Hessen zu reorganisieren. Unmittelbar nach seiner Haftentlassung wurden im März '88 in einer bundesweiten Aktion an 61 Orten in der Bundesrepublik Wohnungen von Kühnen-Anhängern durchsucht, weil sie unter Verdacht standen, einer Nachfolgeorganisation der verbotenen ANS/NA anzugehören. Die ehemaligen ANS-Mitglieder hatten nach dem Verbot ihrer Organisation teilweise Unterschlupf in der faschistischen FAP gefunden und dann im Juli letzten Jahres

-ausgegeben als bundesweite Wählerinitiative - die Liste „Ausländer Raus - Nationale Sammlung (N.S.)“ gegründet. Vom hessischen Langen aus wollte die N.S. unter ihrem „Wahlkampfleiter“ Michael Kühnen die Bundesrepublik erobern.

Die Kleinstadt Langen wurde vom Führer Kühnen und seinem Statthalter Thomas Brehl zur „Hauptstadt der Bewegung“ erkoren. Hier sollte die Kandidatur der Liste zu den hessischen Kommunalwahlen im März das erste Etappenziel bilden, das dann wiederum die Stellung Kühnens in der zerstrittenen FAP stärken sollte. Erklärte Losung des Kommunalwahlkampfs der N.S.: Langen soll die erste „ausländerfreie Stadt Deutschlands“ werden. In tausendfacher Auflage ließ die Kühnen-Truppe Flugblätter verteilen, in denen sie mit Propaganda-Fragen gegen Ausländer hetzten, wie: „Die Ausländer essen unser Brot und wohnen unter unserem Dach. Wird ihnen das reichen? Oder werden sie mehr haben wollen? Unsere Arbeitsplätze, unsere Frauen, unser ganzes Hab und Gut?“ Illustriert wurde diese Hetze durch eine Karikatur, in der drei Flüchtlinge mit einer Dampfwalze den „Deutschen Michel“ überrollen. Im Gegensatz zum Innenministerium, das die N.S. jetzt als verfassungsfeindlich verbot, sah die zuständige Darmstädter Staatsanwaltschaft in diesen Äußerungen nicht einmal den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt und stellte ein von Langener Bürgern angestrengtes Strafverfahren gegen die Verantwortlichen der N.S. ein. Wenig später, während einer Gedenkfeier zum 50.Jahrestag der Pogromnacht, verteilten die Neonazis in Langen antisemitische Flugblätter und warfen Tränengas auf die Besucher der Veranstaltung. Mit dem Verbot durch das Innenministerium ist die Kandidatur der „Nationalen Sammlung“ für die Kommunalwahlen nun hinfällig. Die Personen und ihre Führer werden jedoch weiter politisch aktiv sein. Ähnlich wie nach dem Verbot der ANS/NA werden sie als Folgeorganisation unter anderem Namen weiter agieren.

Ve.

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