: Verbieten verboten?
Zum überraschenden Verbot der „Nationalen Sammlung“ ■ K O M M E N T A R E
Sicher wußte der Hessische Rundfunk nicht, daß er am Mittwoch kaum 24 Stunden davon entfernt war, einer kriminellen Vereinigung Publizität zu verschaffen. Im Streit darum, ob Neonazis diese Öffentlichkeit bekommen dürfen, hatte sich die Hessenschau entschieden, den wie eine Hitler-Parodie kreischenden N.S.-Kandidaten Reisz aus Langen zu präsentieren. Das Verbot der „Nationalen Sammlung“ (N.S.) durch Zimmermann wird uns solche Auftritte künftig ersparen.
Alle, die den Nationalsozialismus ablehnen und fürchten, könnten erleichtert sein - wenn sie nicht gleichzeitig gehört hätten, wie sich Hessens Innenminister Milde selbstgefällig an die Brust trommelte. Die „Nationale Sammlung“ mit ihrer Wahlkampfschlager-Liste „Ausländer raus“ zu verbieten ist schließlich allemal einfacher, als die Ausländerfeindlichkeit in den eigenen Reihen zu problematisieren. So ist Minister Milde denn auch die Gegnerschaft der N.S. zu diesem Staat wichtiger für das Verbot als deren Ausländerfeindlichkeit. Was bitte wäre aus dem Zimmermannschen Machtwort geworden, wenn die N.S. lediglich ausländerfeindlich, aber ansonsten durchaus verfassungsfreundlich gewesen wäre?
Damit wird der Unterschied klar zwischen Faschisten und Rechtsextremen, zwischen Nationaler Sammlung und den „Republikanern“. Faschisten brauchen eben qua Ideologie eine Diktatur. Die Nationalisten haben sich am rechten Rand von CDU und CSU prächtig entwickelt. Der Übergang ist fließend zwischen Bierkrügen und Skatrunden angesiedelt. Möglicherweise gelang Zimmermann mit dem Verbot der N.S. auch ein Racheakt gegen die „Republikaner“. Wenn sich nämlich die N.S.-Aktivisten, statt unterzutauchen, unter deren Anhängerschaft mischen, könnten die so schön doppeldeutig und seifig formulierten Stellungnahmen der Schönhubers vergeblich gewesen sein. Dann nämlich kriechen die von Waidmann Zimmermann zugetriebenen Wölfe nicht nur unter den „republikanisch“ so geschickt ausgebreiteten Schafspelz, sondern auch gleich wieder darunter hervor, um als Volkes Stimme das Maul aufzureißen.
Heide Platen
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