: Eine neue Chance für El Salvador
■ US-Präsident George Bush deutet Interesse an einer politischen Lösung des Kriegs in Mittelamerika an
Seit acht Jahren herrscht in El Salvador Krieg. Viermal wurden die Salvadorianer zu den Urnen gerufen. Die FMLN-Guerilla lehnte eine Beteiligung an den Wahlen jedesmal ab. Vor zwei Wochen hat die Guerilla, die heute stärker denn je ist, eine Unterstützung der kommenden Wahlen ver sprochen, falls diese ein halbes Jahr hinausgeschoben werden. Die Christdemokratie ist in der Krise, Reagan ist gegangen, die Konjunktur scheint günstig.
Immer dann, wenn ihm in seinen Fernsehansprachen die lobenden Adjektive für die Contras ausgingen, die er mal als tapfere Freiheitskämpfer, mal als demokratischen Widerstand titulierte, holte Ronald Reagan ein letztes Argument aus der Tasche. Ein Sieg der Kommunisten in Zentralamerika, so Reagans bedrohliche Prophezeihung, würde Hunderttausende von Flüchtlingen in die Vereinigten Staaten treiben.
Reagan ist abgetreten, die Kommunisten haben nicht gesiegt, doch die Flüchtlinge sind gekommen. In der zweiten Hälfte 1988 beantragten fast 30.000 Zentralamerikaner am Grenzkontrollpunkt bei Brownsville im US-Bundesstaat Texas politisches Asyl. Knapp die Hälfte waren Nicaraguaner, 22 Prozent kamen aus El Salvador, und je elf Prozent aus Guatemala und aus Honduras.
Für Bush droht Reagans gescheiterte Mittelamerikapolitik zu einem innenpolitischen Problem zu werden. Gescheitert ist Reagan, weil die Sandinisten fester denn je im Sattel sitzen, weil die militärisch stark angeschlagene Contra schon jetzt ein größeres Problem für Honduras als für Nicaragua darstellt und vor allem auch weil ihm die politische Stabilisierung El Salvadors nicht gelungen ist.
Die El-Salvador-Politik habe eben darauf abgezielt, sagt Larry Birns, Direktor des Washingtoner „Council on Hemispheric Affairs“ (COHA), eines mit Lateinamerika beschäftigten linksliberalen Instituts. Sie habe darauf abgezielt, eine gemäßigte zentristische Regierung - die der Christdemokraten unter Napoleon Duarte - in El Salvador zu verankern, doch habe die Korruption in Duartes Partei und das Scheitern der Armee im Kampf gegen die Linke diese Strategie zu Fall gebracht.
„Nun steht die US-Administration vor demselben Dilemma wie 1984, nämlich dem, daß die von ihr unterstützten Christdemokraten wohl die Wahl verlieren werden, während die rechtsextreme ARENA-Partei den Sieg davontragen wird“, erwartet Birns. „Dies hätte zur Folge, daß der Kongreß die Gewährung von Auslandshilfe für El Salvador sehr, sehr viel kritischer prüfen und wahrscheinlich eine niedrigere Summe bewilligen würde.“
Schon jetzt wird den Menschenrechtsverletzungen in El Salvador im Kongreß mehr Aufmerksamkeit geschenkt als Ereignissen in Nicaragua. El Salvador verschlingt wesentlich größere Summen im US-Etat. 1987 flossen dorthin 471 Millionen Dollar Wirtschafts- und Militärhilfe. Vor diesem Hintergrund ist der Besuch Vizepräsident Quayles zu sehen, der am Samstag in San Salvador eine scharfe Warnung an die Armee richtete, Menschenrechtsverletzungen nicht zu dulden.
Doch schon wenige Tage nach Quayles Abflug wurde die US -Militärhilfe von 85 Millionen auf 97 Millionen Dollar aufgestockt. Für eine kurze Zeit schien der Vorschlag der FMLN, den Urnengang sechs Monate aufzuschieben, der US -Administration einen Ausweg aus der bevorstehenden Wahlschlappe zu bieten. Die Chance, sowohl Zeit zu gewinnen als auch gegenüber dem Kongreß Flexibilität zu demonstrieren, kam der Bush-Administration durchaus entgegen. Nach heftigem Druck der US-Botschaft rückten auch die Christdemokraten unter Duarte von ihrer glatten Ablehnung des FMLN-Vorschlags ab. Doch Anfang der Woche machte die Bush-Administration einen Rückzieher, da der FMLN -Vorschlag eine „Finte“ gewesen sei.
Derlei ungeschickte politische Winkelzüge zeigen, daß die Zentralamerikaabteilung der Bush-Administration noch mit heftigen Startschwierigkeiten kämpft. Bisher steht noch nicht einmal fest, wer in die Fußstapfen Elliott Abrams‘ treten soll, der unter Reagan als Staatssekretär für Lateinamerikafragen fungierte. Ein erster Kandidat, Robert Helander, wurde vom rechten Flügel der Republikaner abgelehnt, weil er den alten Kurs der Contra nicht fortführen wollte. Außenminister Baker schickte statt dessen den Demokraten Bernard Aronson ins Rennen, der nicht einmal über Spanischkenntnisse verfügt und einzig vorweisen kann, daß er Reagans Nicaraguapolitik unterstützt hat.
Stefan Schaaf, Washington
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