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Ärzte irrten umher

■ Ermittlungen gegen Ärzte eingestellt / Geistig Behinderte ohne Einwilligung sterilisiert

Zehn Tage, nachdem die Bundesregierung in ihrem neuen Betreuungsgesetz teilweise erlaubt hat, geistig Behinderte ohne deren Einwilligung zu sterilisieren, wurde das Ermittlungsverfahren gegen mehrere Ärzte verschiedener Berliner Krankenhäuser von der Staatsanwaltschaft beim Landgericht eingestellt. Gegen die Ärzte war der Vorwurf erhoben worden, geistig behinderte PatientInnen auf Wunsch ihrer Erziehungsberechtigten sterilisiert zu haben.

In den meisten Fällen, so die Staatsanwaltschaft, habe eine Einwilligung der betroffenen Frauen vorgelegen. Lediglich in drei Fällen sei eine Zustimmung nicht erteilt worden, da die Frauen „aufgrund ihrer geistigen Behinderung nicht in der Lage waren, wirksame Erklärungen abzugeben“.

Mangels gesetzlicher Festlegung in der Rechtsprechung, so die Staatsanwaltschaft, sei die Frage, ob bei „Einwilligungsunfähigen“ auch eine Sterilisation ohne deren Zustimmung vorgenommen werden kann, weiterhin stark umstritten. Zwar hat das Landgericht Berlin 1971 entschieden, daß eine Sterilisation einer geistig behinderten Frau auch gegen deren Willen zulässig sei, jedoch können Sterilisationen ohne Einwilligung der Betroffenen auch den Straftatbestand der schweren Körperverletzung erfüllen. KritikerInnen aus der Behindertenbewegung halten dagegen, daß auch eine Sterilisation ohne Willensäußerung eine Zwangsmaßnahme sei.

Das jetzt vom Bonner Kabinett gebilligte Betreuungsgesetz beinhaltet, daß der Betreuer einer „nicht einwilligungsfähigen Behinderten“ künftig zur „Abwehr schwerwiegender Notlagen“ einer Sterilisation zustimmen kann. Dies läßt jedoch einen weiten Ermessensspielraum für die jeweiligen Gutachter. Um „rechtsstaatliche Garantien“ zu sichern, dürfe diese Sterilisation zwar nicht durchgeführt werden, wenn die betroffene Frau Abwehr signalisiere, allerdings sind auch derartige Signale interpretationsfähig.

Den Ärzten, gegen die das Ermittlungsverfahren nun eingestellt wurde, wird als Begründung ein sogenannter unvermeidbarer Verbotsirrtum gemäß Paragraph 17 StGB zugute gehalten, der die Rechtswidrigkeit des Eingriffs ausschließt. Danach handelt derjenige schuldlos, dem bei Begehung der Tat die Unrechtseinsicht aufgrund eines unvermeidbaren Irrtums fehlt. Da der für die jeweiligen Patientinnen bestellte Gebrechlichkeitspfleger seine Einwilligung zu den Eingriffen gegeben habe, durften nach Auffassung der Staatsanwaltschaft die Ärzte davon ausgehen, daß die Einwilligung der Patientinnen selbst nicht notwendig sei. Ärzten könne zudem nicht zugemutet werden, über den aktuellen juristischen Stand in dieser Frage Bescheid zu wissen.

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