: Gefecht um EG- Quellensteuer beginnt
■ Regierungen auf der Suche nach Hindernissen gegen die Kapitalflucht
Brüssel (dpa) - Brüssels Plan für eine EG-Quellensteuer ist ein Angriff auf die Steuerhoheit der Mitgliedsländer und somit für jede Regierung ein Politikum. Deshalb zweifelt niemand daran, daß es in den kommenden Monaten dramatische Gefechte geben wird. Wenn EG-Kommissarin Christiane Scrivener den zwölf Finanzministern in Brüssel ihre Vorschläge präsentiert, sind ihr die groben Fronten auch schon bekannt: Die Opposition hat sich bereits im Vorfeld der Beratungen formiert.
„Wir werden zusammen mit anderen Mitgliedstaaten alles tun, um den Vorschlag nicht zu einer Richtlinie werden zu lassen“, sagte Luxemburgs Finanzminister Jacques Poos, der den allseits verwendeten Ausdruck „Steuerparadies“ für sein Land gar nicht gerne hört. Er hält eine Quellensteuer auf Zinserträge von mindestens 15 Prozent für „anti-europäisch“. Die britische Premierministerin Margaret Thatcher stimmte ein: „Wir haben freien Kapitalverkehr, halten eine EG -einheitliche Quellensteuer aber trotzdem für unnötig.“
Ihre Attacke zielte vor allem in Richtung Paris. Frankreich besteuert Kapitalerträge Gebietsfremder mit 25 Prozent an der Quelle und befürchtet eine Kapitalflucht in Länder ohne (Luxemburg) oder mit relativ geringer (Bundesrepublik) Quellensteuer, wenn das Kapital frei im schrankenlosen EG -Binnenmarkt zirkulieren kann. Diese Ansicht, die sich nun in den Kommissionsvorschlägen wiederfindet, vertreten weniger heftig auch Spanien und Italien.
Als dritter Grundsatz-Kontrahent stiegen die Niederlande auf die Barrikaden. Den Haag hatte sich 1987 gegen eine Quellensteuer entschieden und stattdessen automatische Kontrollmitteilungen der Banken an den Fiskus eingeführt, wie sie jetzt auch die Bonner SPD wieder fordert. Nach dem Kommissionsvorschlag darf dieses Verfahren für Inländer zwar beibehalten werden. Für Gebietsfremde müßte Holland jedoch parallel die Quellensteuer einführen.
Das Haager Finanzministerium meint außerdem, eine Quellensteuer verfehle ohnehin das Ziel, Steuerbetrügereien zu bekämpfen und treibe nur unnötig die Zinsen in die Höhe. Bundesfinanzminister Gerhard Stoltenberg (CDU) hat prinzipiell zwar nichts gegen eine Quellensteuer für alle EG -Bürger (Investoren aus Drittländern sollen ausgenommen werden) einzuwenden. Er möchte aber in Erwartung neuer innenpolitischer Streitereien den in der Bundesrepublik erst seit Anfang dieses Jahres geltenden Satz von zehn Prozent nicht erhöhen müssen.
„Reichlich Widerstand für einen Vorschlag, der einstimmig beschlossen werden muß“, sagte ein EG-Beobachter. Dabei habe Frau Scrivener sich die größte Mühe gegeben, das Vorhaben allen Seiten schmackhaft zu machen: In ihren Plänen gebe es erstens bedeutende Ausnahmen, zweitens bleibt den Ländern vieles selbst überlassen und drittens seien die 15 Prozent nur ein „bescheidener“ Durchschnitt der in der EG praktizierten Sätze.
Zinsen auf kleine Sparbeträge sowie Dividenden sollen verschont bleiben. Mit Blick auf die großen Finanzplätze London und Luxemburg sollen auch Erträge auf Eurobonds, also internationale Anleihen in Währungen, die nicht der des Plazierungslandes entsprechen, von der Quellensteuer befreit werden. Und nicht zuletzt verzichtete Brüssel auf eine Meldepflicht der Banken, damit das Bankgeheimnis nicht angetastet werden muß. Dafür sollen die Steuerbehörden enger zusammenarbeiten.
Ob diese Flexibilität der Kommission aber ausreichen wird, ist angesichts der grundsätzlichen Widerstände fraglich. Bis Ende Juni soll eine Entscheidung fallen. Diplomaten erwarteten für die ersten Beratungen in Brüssel aber nur ein „höfliches Vorgeplänkel“, bei dem die zwölf Finanzminister ihren Standpunkt bekanntgeben, aber nicht in Verhandlungen eintreten würden.
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