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Sowjets im afghanischen Schneesturm

■ Schneefälle verhindern Abzug der letzten 300 Sowjets aus Afghanistan / USA sprechen von erfolgreichster Operation der CIA, um Machtentfaltung der UdSSR zurückzudrängen

Kabul/Berlin (dpa/afp/taz) - Der Abzug der letzten Gruppe von etwa 300 sowjetischen Soldaten vom Flughafen Kabul hat sich wegen heftiger Schneefälle in der Umgebung der afghanischen Hauptstadt verzögert. Offensichtlich können die Flugzeuge nicht mehr starten oder landen. Radio Moskau meldete, daß der Truppenabzug „fast vollständig abgeschlossen“ sei. Der letzte Soldat werde fristgerecht am 15.Februar in die Heimat zurückgekehrt sein. Die Parteizeitung 'Prawda‘ gab bekannt, in der letzten Zeit hätten täglich durchschnittlich 3.000 Soldaten und 500 motorisierte Einheiten die beiden Grenzorte Kuschka und Termes passiert. Nur kleine Gruppen von Soldaten seien noch in Kabul und anderen Ortschaften des Landes. Nach Angaben des sowjetischen Oberkommandierenden in Afghanistan, General Boris Gromow, sind 23 sowjetische Militärlager in Afghanistan den afghanischen Truppen übergeben worden. Die Einrichtungen und das Gerät, das sie enthielten, entsprächen einem Wert von (nur) 23 Millionen Dollar.

Währenddessen geht der Krieg weiter. Die afghanische Regierung hat am Wochenende von Kabul aus die an Pakistan angrenzende Provinz Nangahar heftig bombardieren lassen. Vor allem das Gebiet um Dschalalabad, das etwa 120 km östlich von Kabul liegt, ist weiterhin heiß umkämpft. Selbst SS-1 -Raketen sollen dabei eingesetzt worden sein. Zwei dieser Raketen, die bis 280 km weit fliegen können, schlugen just zu dem Zeitpunkt in das Zielgebiet ein, als Präsident Nadschibullah der pakistanischen Regierung vorwarf, Truppen an der Grenze zu massieren und Dschalalabad einnehmen zu wollen.

Auch in Kabul haben Regierungstruppen von ihrer Artillerie Gebrauch gemacht, um die sie umzingelnden Mudschaheddin auf Distanz zu halten. Die wichtigsten Straßenverbindungen nach Norden, Osten, Süden und Westen sind jedoch schon seit einigen Tagen nach wenigen Kilometern gesperrt. Auf der Salangstraße, die erst kürzlich im Mittelpunkt des Interesses stand, weil auf ihr die langen Kolonnen der sowjetischen Soldaten in Richtung Norden abzogen, ist schon fünf Kilometer nach Kabul an ein Weiterkommen nicht zu denken.

Unter Bemühungen zur Lösung interner Differenzen zwischen Sunniten und Schiiten ist die Wiederaufnahme der Ratsversammlung (Schura) der afghanischen Mudschaheddin gestern um mindestens vier Stunden vorschoben worden. Grund für die Verschiebung seien Verhandlungen zwischen der Sieben -Parteien-Koalition der sunnitischen Mudschaheddin mit Sitz in Peshawar und den acht vom Iran aus operierenden schiitischen Rebellengruppen. Auf der Versammlung soll über die Übergangsregierung verhandelt werden.

Während sich in Moskau an den positiven Reaktionen gegenüber der Entscheidung, aus Afghanistan abzuziehen, nichts geändert hat, sind US-amerikanische Offizielle voller Freude über die Entwicklung. Für die USA, so heißt es aus Washington, war Afghanistan die größte und erfolgreichste Operation des CIA, um die sowjetische Machtentfaltung zurückzudrängen. Gelobt wird auch, daß die USA moderne Waffen an die Mudschaheddin geliefert und somit ihren Beitrag zum Sieg des Widerstandes geleistet haben.

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