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Belfaster IRA-Anwalt ermordet

Protestantische Tarnorganisation der „Ulster Volunteer Force“ (UVF) bekennt sich zum Anschlag auf prominenten Rechtsanwalt / Äußerung des britischen Staatssekretärs Hogg vom Januar lieferte moralische Legitimation für den Mord, sagt Sinn Fein  ■  Aus Dublin Ralf Sotscheck

Einer der bekanntesten nordirischen Rechtsanwälte und Verteidiger von IRA-Angehörigen, Pat Finucane, ist am Sonntag abend vor den Augen seiner Familie erschossen worden. Seine Frau Geraldine wurde bei dem Attentat leicht verletzt.

Die Familie war beim Abendessen, als drei Männer die Eingangstür des Hauses in Nord-Belfast eintraten und das Feuer aus einer Maschinenpistole eröffneten. Finucane wurde von fünf Kugeln getroffen, seine Frau erlitt durch einen Querschläger eine Fußverletzung. Die drei Kinder der Finucanes im Alter von sieben bis 16 Jahren blieben unverletzt. Nach dem Mord entkamen die Täter in einem gestohlenen Taxi, an dessen Steuer ein vierter Mann saß. Das Taxi wurde später im loyalistischen (der britischen Krone ergebenen) Woodvale-Viertel in Ost-Belfast gefunden.

Zu dem Mord haben sich gestern die „Ulster Freedom Fighters“ (UFF) bekannt. Die UFF ist eine von mehreren protestantischen Tarnorganisationen der loyalistischen „Ulster Volunteer Force“ (UVF), die in den letzten Wochen ihre Mordkampagne gegen Katholiken intensiviert hat.

Nordirische Politiker, Rechtsanwälte und der Nordirlandsprecher der britischen Labour-Partei, Kevin McNamara, brachten gestern den Mord an Finucane mit einer Bemerkung von Douglas Hogg, dem Staatssekretär im britischen Innenministerium, in Verbindung. Hogg hatte im Januar vor dem Unterhaus behauptet, daß „gewisse Belfaster Rechtsanwälte mit der IRA sympathisieren“ würden. Diese Äußerung hatte einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, zumal Hogg sich weigerte, seine globale Beschuldigung zu spezifizieren. Der nordirische Unterhausabgeordnete der katholischen Sozialdemokraten, Seamus Mallon, hatte von Hogg damals gefordert, die Bemerkung zurückzunehmen, da ansonsten die Rechtsanwälte in Belfast zum Ziel loyalistischer Attentate werden könnten.

Gestern sagte Mallon: „Ich bedaure, daß sich meine Worte nun als prophetisch erwiesen haben.“ Nach Überzeugung des Pressesprechers von Sinn Fein, Danny Morrison, hat Hoggs Behauptung den Loyalisten eine offizielle Legitimation für den Mord an Finucane geliefert.

Hogg hat seine Anschuldigungen offenbar von der nordirischen Polizei übernommen. Im letzten Jahr hatten verschiedene loyalistische Fortsetzung auf Seite 2

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Organisationen erklärt, daß ihren Mitgliedern bei Polizeiverhören von den Beamten mehrmals gesagt worden sei, Finucane und andere katholische Rechtsanwälte würden verhindern, „IRA-Terroristen ins Gefängnis zu bringen“.

Pat Finucane kam aus einer politisch aktiven Familie im katholischen West-Belfast. Zwei seiner Brüder sind wegen IRA -Mitgliedschaft verurteilt worden. Ein weiterer Bruder, Seamus, war der Freund Mairead Farrells, die im letzten Jahr von der britischen Sondereinsatztruppe SAS in Gibraltar ermordet worden ist. Pat Finucane wurde 1981 über Irlands Grenzen hinaus bekannt, als er IRA-Hungerstreikende vertrat, die für die Anerkennung als politische Gefangene kämpften. Er setzte im Auftrag der Gefangenen vor Gericht durch, daß die Behörden keine Zwangsernährung anwenden durften. Außerdem war Finucane Rechtsberater für Bobby Sands, der

während seines Hungerstreiks für das britische Unterhaus kandidierte. Sands starb als erster von zehn Hungerstreikenden am 5.Mai 1981.

Im vergangenen November errang Finucane einen bedeutenden juristischen Erfolg, als er die Familien von drei getöteten IRA-Mitgliedern bei einer öffentlichen Untersuchung vertrat. Die unbewaffneten IRA-Männer waren 1982 von der nordirischen Polizei mit über hundert Kugeln regelrecht durchsiebt worden. Die an der Erschießung beteiligten Beamten durften bei der Untersuchung nicht aussagen. Finucane erwirkte in einem Präzedenzfall vor dem Obersten Gerichtshof die Genehmigung, die Polizisten dann doch zur mündlichen Aussage vorzuladen.

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