Pfeifend und schnippend

■ Thelonious Monk: Straight, no chaser und Gillespie in Havanna

Mitten im Stück bricht er ab, schießt von seinem Hocker hoch, würgt ein paar Worte an seinen Saxophonisten heraus, verschwindet wieder hinter dem Steinway und setzt erneut an: Thelonious Monk, Ende der 60er auf Europatournee.

Ein Genie, sicher ein Excentriker (wer ist es nicht, der so weit kommt?) - seine Rechte („eine unglaubliche Rechte“, sagt Charlie Rouse, fast im Boxerjargon), seine Rechte schwebt oszillierend zwischen Katatonie und höchster Konzentration über den Tasten.

Charlotte Zwerins Künstlerportrait „Straight, no chaser“ ist eine Viererkoproduktion und ihr Film ist zwei Filme:

Christian Blackwood folgte Ende 1968 für ein halbes Jahr lang Monk mit der Kamera, dreht auf der Bühne, Backstage, zu Haus, an der Bar, im Flugzeug und wo immer Monk, ständig um sich selbst kreiselnd, performierte. Eine rastlose Erscheinung, an der Grenze zu krankhafter Hyperaktivität, ausgestattet mit einer Aura, als erwecke er aus dem Geräuschkauderwelsch seiner Umgebung, vermengt mit dem eigenen kryptischen Gebrumm, eine Welt ungehörter Töne und unerhörter musikalischer Inventionen.

Vierzehn Stunden von solchem Material in Schwarzweiß hatte Blackwood abgedreht und es galt eine Zeitlang als verschollen. Lediglich ein einstündiges Destillat der riesenhaften Reliquie war fürs Fernsehen produziert. 1981 traf Blackwood auf Bruce Rickers, selbst ein Jazzdokumentarist („The last of the blue devils“). Sie beschlossen, die Rollen als Basis für einen komplett neuen Film zu verwenden.

1986 trat ihnen Charlotte Zwerin zur Seite, ausgestattet mit Förderungsgeldern. Sie komplettierte den Stoff durch Interviews mit Zeitgenossen und Managern von Monk. Diese Sequenzen sind auf überraschende, abrupte Art und Weise einmontiert und versperren den glatten Durchgang durch Monks Musik, die im Stück belassen, dennoch selbst voller Durchbrüche bleibt.

Zwerins Farbaufnahmen sind ein statischer, eindringlicher Blick in den Kopf eines Abwesenden, der über seinen Tod hinaus wirkt und formt - ein intimer und zugleich integerer Blick.

1987 schließlich konnte Clint Eastwood, selbst Fan, Filmer („Bird“) und Financier, für das Projekt gewonnen werden. Die „Viererbande“ bescherte nicht nur den Monkianern einen der wohl schönsten Filme über ein „wahres Original“, über den Mann, der von sich sagt: „Wir werden etwas schaffen, das sie uns nicht stehlen können, weil sie es nicht spielen können.“

Vor wenigen Wochen noch blähte Dizzy Gillespie leibhaftig im 'Quasimodo‘ die Backen - keine zwanzig Meter vom Delphi entfernt, wo jetzt John Hollands Hommage an den „Giganten“ läuft: Sie heißt „A night in Havanna“ in Anlehnung an Dizzys populärsten Song.

Gillespie ist ein durchaus gesunder Mensch und er war 1985 in Cuba, ein Gast, dem staatliche Ehrenbezeugungen zuteil wurden: Der Musiker und Fototourist vertraut auf die völkerverbindende und friedensstiftende Kraft seiner Kunst und der Film erhält den ersten Szenenapllaus, als der Jazzer gutgelaunt Fidel Castro auf die Schulter haut: Gillespie war erfreut, wie gut sich Castro in seiner Bio- und Dikografie auskannte.

Hollands Film macht es leicht, zwischen Folklore, Politik und transkulturellen Reflexionen zu springen. Es ist ein glattes, schönes, professionelles Stück Musikkino mit brilliantem Ton und leuchtenden Farben und vollgepackt mit Geschichten, die Spaß machen: auch die 30. Version, wie Dizzys Trompete zu ihrem Knick kam, gehört dazu: „Gangster in einem Nachtclub namens Al Capone haben sie während des Auftritts verbogen und mir dafür 1.000 Dollar in die Tasche gesteckt.“ Pfeifend und schnippend verläßt ein zufriedenes Publikum nachts um zwei den Saal.

Olaf Arndt

Weitere Jazzfilme:

„Let's get lost“ - Chet Baker von Bruce Weber

Sa., 18.2., Delphi, 00.00 Uhr und

Mo., 20.2., Arsenal, 12.30 Uhr