: Der Schein trügt
Das einzige Off-Theater Bremens, das freiraum-theater, kann ohne finanzielle Unterstützung keine Gastspiele mehr zeigen ■ Die Freien Theater in Bremen sin
meine wichtigsten Bündnisparter
(Senator für Bildung, Wissenschaf
und Kunst, Horst-Werner Franke
im Jahre 1983, im Wahlkampf
Auf unseren Schreibtischen häufen sich in letzter Zeit die Hilfe-Schreie-Schreiben der alternativen Projekte, der Lager- und Packhäuser, der freien Theatergruppen, der von fehlenden und weggestrichenen ABM-Stellen gebeutelten alternativen Projekte in Bremen. Wer nun glaubt, daß Bremens einziges Off-Theater, das freiraum-theater, von der Misere verschont geblieben ist, und sich mit 137 Gastspielen, vielen Einzelproduktionen, 10.000 BesucherInnen und dem „zentrum für theaterarbeit“ in zwei Jahren selbst tragen konnte, und deshalb auf eine Unterstützung von Seiten des Senators für Bildung, Wissenschaft und Kunst verzichten kann, sieht sich getäuscht. „Wir haben zwei Jahre lang nicht gemeckert“, sagt Jürgen Müller-Ohtzen, „nun sind auch wir mit unserer Kraft am Ende“. Die vielen Gastspiele sind Minusgeschäfte. An jedem Abend macht das freiraum-theater durchschnittlich 330 Mark Miese, das heißt 35.000 Mark im Jahr.
Nur durch großen ehrenamtlichen Einsatz konnten bisher die zum Teil hochkarätigen Gastspiele von Freien Theater-Gruppen aus der Bundesrepublik, der Schweiz, Frankreich, Italien,
Chile etc. finanziert und aufrechterhalten werden. An eine feste Gage war dabei nicht zu denken. Die Gage rechnet sich aus den jeweiligen Einnahmen. (Verhältnis 80 zu 20 Prozent). Viele Produktionen konnten aus diesem Grunde nicht gezeigt werden.
Von Frankes Bündnis-Theorie hat das freiraum-theater in den beiden Jahren nichts gespürt. Weder Herr Franke, noch Senatsrat Opper wurden je in den Räumen der Grundstraße gesichtet. „Die wissen auch, warum sie nicht kommen“, weiß Schauspieler Reinhold Schäfer, „sobald sie kommen, müßten sie eindeutig Stellung beziehen“.
Das freiraum-theater hat mehrfach versucht, eine Unterstützung aus Frankes Kulturtopf zu bekommen, aber nie erhalten. „Wir brauchen erst einmal mindestens 50.000 Mark, um unsere Gastspiele fortsetzen zu können“. Die Konzeption des freiraum-theaters besagt, daß vor allem innovatives Theater aus dem In-und Ausland gezeigt wird. Wenn Franke keine finanzielle Unterstützung zusagt (Frist: April 89), dann können in der nächsten Saison (September 89) keine Gastspiele mehr gezeigt werden.
Regina Keichel
Heute abend (20.30) im freiraum-theater: „Don gil von den grünen hosen“. Weitere Aufführungen: 28., 19., 24. -26.2.89.
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