: Praktisch hat die Kennzeichnung wenig Nutzen
■ Interview mit Otto Diederichs, Polizeiexperte der AL / Kennzeichnung der Polizei, ja oder nein
taz: Die Kennzeichnung der Polizei ist eine Standardforderung der AL. Die SPD sagt aber klipp und klar „Nein“ dazu. Was sagt der Polizeiexperte der AL zu dieser Zwickmühle?
Otto Diederichs: Die Kennzeichnung ist für beide Seiten eine Sache mit sehr hohem Symbolwert, so daß die Schwierigkeiten nicht unerwartet auftauchen. Diese Kennzeichnung ist außerdem bei sämtlichen Koalitionsverhandlungen, also auch zwischen CDU und FDP, immer schon Verhandlungsgegenstand gewesen. Mir ist aber nicht klar, wie die SPD eine neue Sicherheitspolitik machen will, wenn sie nun schon an einem solchen Punkt einen Kotau vor der rechten Camarilla in der Polizei macht. Für die AL wird es ein harter Punkt werden.
Wie hart soll die AL denn bleiben?
Wenn man den praktischen Nutzen betrachtet, bringt die Kennzeichnung zunächst nicht viel. Denn die Möglichkeiten, die Kennzeichen zu manipulieren, sind hoch und alle Seiten kennen diese Möglichkeiten auch. Dann erscheinen die Polizisten eben alle als Meier auf der nächsten Demo. Oder wie in den USA, wenn die Polizei in die schwarzen Ghettos reinreitet, überklebt sie die Nummern auf den Helmen mit Tesastreifen. Ein anderer Nutzen wäre, daß es hier tatsächlich mal einen Einbruch und etwas mehr Transparenz gibt. Und davor hat die Polizei natürlich Angst. Für die AL wird es sicher schwer, da weiterzukommen. Wenn diese Forderung tatsächlich fallen gelassen werden muß - ein „Muß“ ist das zweifelsohne -, dann muß aber von der SPD einiges andere an Entgegenkommen gezeigt werden.
Wo dürfte die AL keineswegs kleinbeigeben?
Es geht hier gar nicht um Kleinbeigeben. Wenn es wegen des massiven Drucks eben nicht geht, wie ihn jetzt etwa die Polizeigewerkschaften ausüben, muß man die Forderung vorübergehend aussetzen.
Wie sieht es aus mit der Abrüstung der Polizei? Auch da kommt ein klares „Nein“ von der SPD?
Ich denke, dieses klare „Nein“ wird so nicht bestehen bleiben. Zumindest wenn man unter Abrüstung auch versteht, daß andere Polizeikonzepte entwickelt werden, die nicht diese Schlag-drauf-Mentalität wie in den letzten Jahren haben. Nicht nur bei der EbLT gibt es eine kontinuierliche Aufrüstung im Gerät oder bei den Uniformen, die gegen Kampfanzüge ausgetauscht wurden und vieles mehr. Um Glaubwürdigkeit zu zeigen, muß sich da einiges tun. Das weiß die SPD aber auch. In Sachen Polizeiabrüstung wird sich sicher etwas bewegen.
Der nächste 1. Mai kommt bestimmt?
Ja, der nächste 1. Mai wird sicher ein Knackpunkt sein. Von Polizeiseite, denke ich mal, müßte es sicher so aussehen, daß sich die Polizei sehr zurückhält. Also keine massive Präsenz, die Wasserwerfer verstecken, auf das schwere Gerät verzichten und die einzelnen Beamten weniger martialisch ausrüsten. Alles in allem werden beiden Seiten aber bemüht sein müssen, es zu keinem Konflikt kommen zu lassen. Langfristig müssen natürlich neue Polizei- und Einsatzkonzepte entwickelt werden. Und da kann man in solchen Verhandlungen nur die Richtung weisen, also weg vom schmuddeligen Feindbild des Demonstranten und tatsächliche Gewährleistung des Demonstrationsrechts. Ich glaube, da sind AL und SPD sicher einer Meinung.
Wo siehst Du weitere Übereinstimmungen?
Ich sehe sie auch bei der Polizeiausbildung. Wenn man die 'rausnimmt aus dem inzüchtigen Kasernendenken, und alles, was möglich ist, in öffentliche Schulen oder an die Uni verlagert.
Interview: bim
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