: Methadonprogramm wird ausgeweitet
■ Ein Jahr nach Beginn in NRW verbesserter Gesundheitszustand der Beteiligten / Gesundheitsminister Heinemann: „Heroinabhängigkeit ist eine Krankheit“ / Methadonprogramm auch in Bielefeld und Köln
Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Die nordrheinwestfälische Landesregierung wird das vor einem Jahr unter heftigem Protest gestartete Methadonprogramm zur Behandlung Heroinabhängiger auf nunmehr fünf Städte ausweiten. Neben Düsseldorf, Essen und Bochum bekommen auch die Städte Bielefeld und Köln entsprechende Zentren, die künftig insgesamt maximal 150 Heroinabhängige mit Methadon versorgen werden. Bei den TeilnehmerInnen des auf fünf Jahren angelegten Modellversuches hat sich nach den Worten von Gesundheitsminister Hermann Heinemann „der Gesundheitszustand und der soziale Status deutlich verbessert“.
Bisher nehmen 51 Heroinabhängige an dem Projekt teil. Sie werden täglich unter Aufsicht mit einer Dosis Methadon - ein synthetisches Opiat, das in der BRD unter dem Namen L -Polamidon vertrieben wird - versorgt. Das Medikament heilt zwar die Suchtkrankheit nicht, aber verhindert bei den Süchtigen das Auftreten von Entzugserscheinungen. Jahrelange Erfahrungen im Ausland, zum Beispiel in den USA und der Schweiz, zeigen, daß bis zu 40 Prozent der Abhängigen auch den Absprung vom Methadon schaffen. Die anderen leben dauerhaft mit dem Medikament. Gerade die konservativen Kritiker halten Heinemann deshalb vor, die Heroinsucht mit seinem Programm lediglich gegen eine neue Abhängigkeit einzutauschen.
Voraussetzung für die Teilnahme am Programm ist das Mindestalter von 22 Jahren und zwei gescheiterte Entzugstherapien. An diesen restriktiven Zugangsvoraussetzungen will Heinemann vorerst festhalten, denn für „eigentliche Bewertungen ist es noch viel zu früh“. Die bisher Beteiligten waren im Durchschnitt 13 Jahre lang opiatabhängig. Viele von ihen haben mehrere Jahre im Knast gesessen, bei „40 Prozent war eine Suizidtendenz erkennbar“, heißt es im Zwischenbericht. „Einen bitteren Rückschlag“, so Heinemann hat es bei dem Versuch unterdessen gegeben. Ein Teilnehmer beging kurz vor Weihnachten mit Hilfe einer Überdosis von Schmerzmitteln Selbstmord. Den Todesfall nahmen die Düsseldorfer CDU am Donnerstag zum Anlaß, um die Unterbrechnung des Methadonprogrammes zu fordern.
Insgesamt haben sich die Reihen der Kritiker aber gelichtet. Selbst Christdemokraten wie Rita Süssmuth und der niedersächsische Sozialminister Schnipkoweit halten die Vergabe von Methadon unter bestimmten Bedingungen inzwischen für sinnvoll. Im Saarland wird noch in diesem Jahr ein Methadonprojekt beginnen. Der schleswig-holsteinische Landtag sprach sich am Donnerstag einstimmig dafür aus, im Kampf gegen Drogenabhängigkeit ab 1990 auch eine medikamentengestützte Therapie zu ermöglichen. Unterdessen lehnte die bayerische Staatsregierung ein staatliches Methadon-Programm entschieden ab. Der Einsatz des Schmerzmittels sei nur in Einzelfällen unter strenger ärztlicher Kontrolle denkbar, meinte Sozialminister Glück.
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