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„Neue“ Frauenpolitik

■ Rot-grüne Verhandlungen über Frauenpower / Unterschiedliche Vorstellungen über politische Institutionalisierung

Auf die Dauer Frauenpower wollen beide Verhandlungspartner bei den rot-grünen Koalitionsverhandlungen. Aber wie man fortschrittliche Frauenpolitik nicht nur im Munde führt, sondern in politischen Institutionen etabliert, darüber gibt es Meinungsverschiedenheiten bei SPD und AL. Offensichtlich haben SPD und AL sehr unterschiedliche Einschätzungen darüber, wie frauenfreundlich beziehungsweise -ignorant der zukünftige Senat und die Verwaltung sein werden. Entsprechend unterschiedlich sind die Verhandlungsvorschläge der beiden Parteien.

Optimistisch ist die SPD. Sie will eine Staatssekretärin für Frauenpolitik mit Sitz in der Senatskanzlei, die direkt dem Regierenden Bürgermeister zugeordnet ist. Der Vorteil dieser Konstruktion: damit soll sie auf alle Ressorts des neuen Senats Einfluß nehmen, denn alle wesentlichen politischen Entscheidungen bekommen erst in der Senatskanzlei das O.k. Politische Vorhaben, die frauenfeindlich sind oder die Belange von Frauen nicht genügend berücksichtigen, kann eine solche Staatssekretärin dort abblocken und in das jeweilige Ressort zur „Nachbesserung“ zurückschicken - immer mit Zustimmung des Regierenden, versteht sich. Sie soll außerdem eine Pressestelle haben, um eigenständige Öffentlichkeitsarbeit zu machen. Ihre eigentliche Hausmacht aber sollen Referentinnen sein. Jeweils eine Frauen-Referentin soll in jedem Ressort sitzen, im Range einer Abteilungsleiterin mit einigen Mitarbeiterinnen. Diese Referentinnen sollen versuchen, die Politik der/des jeweiligen SenatorIn frauenpolitisch zu beeinflussen. Dann wird die Frauenreferentin im Senat für Verkehr sich z.B.. für das Nachttaxi engagieren, während der Senator vielleicht gerade die autofreie Stadt plant. Welche Kompetenzen diese Referentinnen und die Staatssekretärin konkret haben, soll ein Gleichstellungsgesetz klären, das die SPD in den Verhandlungen ebenfalls vorschlägt. „Ich verspreche mir, sehr viel mit diesem Modell durchsetzen zu können“, sagt Helga Korthaase, Frauenpolitikerin der SPD. Dabei macht sie keinen Hehl daraus, daß ihr der Posten der Staatssekretärin wie auf den Leib geschneidert wäre.

Insgesamt präsentiert die SPD ein Modell, in dem Frauen sanft, aber gewaltig die gesamte Politik und Verwaltung durchdringen sollen. Ob ihnen das gelingt, hängt dabei wesentlich vom Good-will der Herren Kollegen im Senat und in der Verwaltung ab.

Auf solch einen Good-will wollen die ALerinnen nicht bauen. Die AL will deshalb eine Senatorin für Frauen, eine Landesfrauenbeauftragte und ein Antidiskriminierungsgesetz (ebenfalls auf Landesebene). „Die Senatorin hat ein größeres politisches Gewicht“, meint Helga Hentschel, die bisher für die AL im Abgeordnetenhaus war und jetzt in der Verhandlungskommission zur Frauenpolitik sitzt. Eine Senatorin aber braucht Kompetenzen und eine funktionierende Verwaltung - deshalb entschlossen sich die ALerinnen zu einem Vorschlag, der auf den ersten Blick recht hausbacken wirkt: eine „Senatorin für Jugend, Familie und Frauen“ soll es werden. „Diese Anbindung hört sich nicht gut an“, weiß Helga Hentschel, aber diese Erweiterung des bisherigen Ressorts für Jugend und Familie erscheint den ALerinnen als die einzig praktikable Lösung. Denn hier existiert bereits eine Verwaltung, und es gibt klar geregelte Kompetenzen, die die Senatorinnenmacht ausmachen. Neu dazu kommen soll die Federführung für alle Frauenfragen.

Schwierigkeiten, die nicht richtig zu lösen sind“ (Helga Hentschel) gibt es aber auch bei diesem Modell. Will die zukünftige Frauensenatorin z.B.. Zufluchtswohnungen für mißhandelte Frauen, so wird sie nicht umhinkönnen, mit dem Bausenator sich darüber zu einigen. Aber in vielen anderen Punkten legt das AL-Modell den Focus auf Selbständigkeit: Frau Senatorin wird ihre eigene Staatssekretärin haben und eine eigenständige Abteilung Frauenpolitik. Mit eigenem Etat, z.B.. Zur Förderung von Frauenhäusern und -projekten. Ergänzend dazu soll es - wenn es nach der AL geht - eine Landesfrauenbeauftragte geben, die die Einhaltung des Antidiskriminierungsgesetzes überwachen wird. Im Gegensatz z.B.. Zum jetzigen Datenschutzbeauftragten soll sie weitreichende Rechte haben: das Informations- und Untersuchungsrecht, das Öffentlichkeits- und Initiativrecht, Zugangsrechte auch zu einzelnen Behörden.

Gunhild Schöller

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