: Jugoslawisches ZK rotiert
■ Ein Drittel der ZK-Mitglieder soll ausgewechselt werden / „Slowenische Sozialdemokratische Union“ wurde gegründet
Berlin (ap/taz) - Ein Drittel der Mitglieder des jugoslawischen Zentralkomitees, das über 165 Sitze verfügt, sollte am Freitag ausgewechselt werden. Zum fünften Mal in kurzer Zeit war deshalb das Gremium zusammengetreten, doch konnten sich die unterschiedlichen Strömungen in der Partei vor Redaktionsschluß noch nicht auf die Nachrücker im ZK und im Präsidium einigen. Immerhin fügte die Versammlung dem serbischen Parteichef Milosevic eine herbe Niederlage bei: der Vorsitzende des Partisanenverbandes Matic, der nach dem Willen der Serben zurücktreten sollte, gewann die Abstimmung. Er will jetzt ein klares Votum gegen die serbische Politik zu erreichen.
„Im Gesamtstaat bleibt die Situation recht schwierig, doch in Slowenien sind die Weichen weiterhin auf Reform gestellt“, erklärte der Theoretiker der alternativen Bewegung Sloweniens, Rado Riha, der taz.
Mit der Gründung der „Slowenischen Sozialdemokratischen Union“ ist in der nördlichsten Republik eine neue politische Formation aufgetreten, die den Anspruch stellt, die parlamentarische Demokratie in Slowenien einzuführen. Als am Donnerst agabend die Gründung der sozialdemokratischen Partei vollzogen wurde, kam es jedoch zum Eklat: Das Attribut „unabhängig“ darf nicht mehr verwendet werden. Die Polizei habe im Auftrag der Staatsführung den Parteigründern unmißverständlich klar gemacht, daß die neue Organisation nur unter dem Dach der „Sozialistischen Allianz“ agieren könne, gaben Journalisten aus Ljubiljana an.
Noch kurz vor der Gründung wollte der Wortführer der Partei, France Tomsic, nichts davon wissen, in die „Sozialistische Allianz“ einzutreten, mußte dann aber nachgeben. Die Funktion dieser Volksfrontorganisation, die sowohl kirchliche Würdenträger wie auch den kürzlich gegründeten „Slowenischen Demokratischen Bund“ und andere Organisationen lose verbindet, soll nach dem Willen der Slowenischen Kommunisten offensichtlich noch nicht angetastet werden, meinen die Beobachter.
„Für die Parteigründer ging es darum, die sozialdemokratische Organisation überhaupt zu legalisieren“, erklärt sich Rado Riha das Nachgeben von France Tomsic. „Es ist ein taktischer Zug, der in dieser Lage wahrscheinlich der einzig mögliche war. Die Wege für eine Weiterentwicklung bleiben hier in Slowenien noch offen.“ Möglich sei auch, daß die slowenische Führung mit Blick auf die politische Konstellation im Gesamtstaat sich nicht zu weit vorwagen wollte. Die Wiederzulassung von anderen Parteien wird in Belgrad von den Zentralorganen des Bundes der Kommunisten wie von der Staatsführung her nach wie vor scharf kritisiert.
Erich Rathfelder
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